Peter Pilz bei einem Pressegespräch am Montag.

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Wien – Schon wieder geht es um maskuline Lustgefühle und ältliche Wallungen – mit oder ohne Alkohol. Diesmal im Reich österreichischer Politik. Ein oppositioneller Listenführer sagt einmal Ja, dann einmal Nein, dann halb Ja und Nein zu den ihm angelasteten sexuell motivierten Fehltritten, Fehlgriffen. Er vermutet wortstark eine bösartige Intrige.

Warum? Weil sich, wie er sagt, ausgerechnet Politiker als Augenzeugen gemeldet hätten, deren Glaubwürdigkeit er per se offenbar bezweifelt. Frage: Ist nicht wie diese auch er ein Mitglied der politischen Kaste? Oder hat ihn sein jüngster politischer Höhenflug inzwischen weit über die gemeine Kollegenschaft hinaus in andere Sphären abheben lassen?

Die genannten Politiker sind empört. Warum auch sollte ein Mitglied einer künftigen Oppositionspartei einer anderen ebensolchen schaden wollen? Gemeinsam ist man stärker, heißt es zumindest im Volksmund. Wer nun tatsächlich lügt, wird sich hoffentlich herausstellen. Erfahrungsgemäß nicht heute, auch nicht morgen, sondern irgendwann.

Peter Pilz jedenfalls fällt der plötzliche Abschied von der Macht sichtlich schwer. Ja – Nein – Ja: Ich trete als Mandatar zurück, ich trete an, ich trete zurück. Drei Statements innerhalb zweier Tage – herausposaunt über maßgebliche Medien. Sehr glaubwürdig wirkt all dies nicht.

Nur eines ist bisher sicher: P. P. ist nicht gleichzusetzen mit allen P. P.s.

Peter Pan, der präpubertäre Bub, der nie erwachsen wird, lebt mit seinen Freunden auf der Insel Nimmerland, wo alles, woran man glaubt, in Erfüllung geht. Peter Pan wird oft dargestellt wie ein kindlicher Robin Hood, wie ein Rächer benachteiligter, von den Mächtigen betrogener Menschen.

Ego eines Listenführers

Peter Pilz hingegen lebt in Österreich, auf jener "Insel der Seligen", wo eben doch auch allerhand schiefgehen kann. So auch der angepeilte makellose Einzug in das österreichische Parlament: Peter Pilz als Kopf der nach ihm benannten Liste, die keine Partei sein will, aber als solche dennoch eingetragen ist – doch das ist eine andere Geschichte. Dabei ging es nur um das liebe Geld, um Parteienförderungen und, mag sein, auch um das nach Anerkennung und Medienpräsenz dürstende Ego eines Listenführers. Mit 63 Jahren hat Peter Pilz die Pubertät allerdings längst hinter sich. Auch mit einem Robin Hood ist er nicht vergleichbar. Stattdessen mit einem Aktenfuchs, der bestens vernetzt ist mit den Personal des österreichischen Geheimdienstes.

Vergangene Woche wurden die Vorwürfe sexueller Übergriffe laut. Medien, denen Informationen zugespielt worden waren, dienten als Sprachrohr. Noch am Samstag gab sich Peter Pilz in einer Pressekonferenz süffisant zerknirscht. Keine Entschuldigung kam über seine Lippen, aber die Mitteilung, er werde wegen der nun erhobenen Vorwürfe sexueller Belästigung nicht als Mandatar im Parlament antreten. Zwei Tage später war alles anders. Auf Ö1 erklärte er im "Morgenjournal" in einem Livegespräch vollmundig und mit auffallender Schärfe in Wort und Ton, er werde doch antreten, alle Vorwürfe seien politische Intrigen, er werde alles recherchieren und natürlich aufdecken. Nachmittags war nochmals alles anders. Er werde nun doch nicht wieder Parlamentsabgeordneter. "Aus, Schluss, ich will nicht mehr."

Pilz-Dramaturgie

Ein Verwirrspiel ohne Ende? Sicher ist jedenfalls eines: Die Pilz-Dramaturgie, die darauf abzielt, dass Peter Pilz so oft wie möglich im Fokus der Medien präsent ist, ist perfekt. Die Medien folgen ihm. Ganz ähnlich wie bei der Silberstein-Affäre geht es schließlich auch in der Berichterstattung über diesen Fall langsam aber sicher immer weniger um die Inhalte der Vorwürfe als um die Frage: Welche Munition meint er noch auf Lager zu haben. Die Inhalte verlieren, wie es scheint, allmählich an Gewicht. Sie werden von Pilz geschickt heruntergespielt. In einem Aufwasch entsteht zugleich der bösartige Verdacht, die in Wien angesiedelte Gleichbehandlungsanwaltschaft, der die Fälle vorliegen, habe entweder falsch entschieden oder sogar durch Indiskretion den Fall Pilz ins Rollen gebracht.

Frage an die Argwohnstifter: Soll die Gleichbehandlungsanwaltschaft vielleicht am besten gleich wieder abgeschafft werden, damit so, wie es manche offenbar sehen, keine "dümmlichen" Vorwürfe wegen harmloser "Kavaliersdelikte" erhoben werden können? Könnte dies auch nicht in den künftig wichtigen Bereich Heimatschutz fallen? Schutz der Heimat unter der Wiederherstellung althergebrachter gesellschaftlicher Strukturen. Auch in Burschenschaften sind nur Männer unter sich. Wäre es möglich, dass unter dem Einfluss schlagender Burschenschafter in der kommenden schwarz/türkis-blauen Regierung beschlossen werden könnte "Schluss mit dem Gehör für 'Weiber-Geheul'".

Zurück zu Peter Pilz, bisher gefeiert als Held der Wahrheit und politischer Transparenz. Teamarbeit war und ist, wie es heißt, nie sein primäres Anliegen. Vielleicht auch deshalb entschied er sich für die Trennung von den Grünen und zusätzlich für deren Schwächung durch die Gründung der nach ihm benannten Liste Peter Pilz – nun womöglich auch für deren Zerstörung.

"Kopflose" Geschichte

Kaum gegründet und noch nicht einmal ins Parlament eingezogen ist diese Liste "kopflos", namenlos geworden. Pilz hatte diese Liste gegründet, nun müssen deren zum Teil politisch unerfahrenen künftige Mandatare selbstständig Parlamentsarbeit lernen. Ein mühsamer Job.

Pilz spielte seinen Fall geschickt über die Bande. Tritt er nun doch nicht als Mandatar an, verliert er natürlich das weiche Polster eines Parlamentariergehaltes. Stattdessen könnte er allerdings künftig als Berater seine Liste vor dem politischen Absturz bewahren und damit zugleich ein gutes Zubrot zu seiner Pension verdienen. Offen bleibt dabei die Frage, ob ihm Hintergrundarbeit auf die Dauer liegt. Jetzt macht er sich jedenfalls erst einmal aus dem Staub.

"Ich kann das meiner Frau nicht mehr länger zumuten", erklärte er so lieb vor seiner Abreise einer Wiener Tageszeitung, die daraus eine Schlagzeile macht. Warum eigentlich? Warten wir ab, wie die Geschichte weitergeht. Da wird nun die Justiz bemüht werden, und deren Mühlen mahlen bekanntlich sehr, sehr langsam. Der ersten Instanz folgt nach vielen Wochen die zweite – et cetera pp.

Medien danken es ihm

P. P. alias Peter Pilz wird sich sicherlich noch einiges einfallen lassen, um medial ein Thema zu bleiben. Hoffentlich seriös. Die Medien werden es ihm danken. Pilz formuliert druckreif und wurde so zum Schlagzeilenheld. Wie sagte er doch zum Schluss der samstäglichen Pressekonferenz:

"Wir älteren und in meinem Fall noch – gerade noch – mächtigen Männer müssen bereit sein auch, etwas dazuzulernen. Ich bin dagegen, dass unser ganzes Leben von politischer Korrektheit dominiert wird. Aber ich bin sehr dafür, dass wir Männer in solchen Positionen darüber nachdenken. Nicht nur wie unsere Absichten sind und wie wir persönlich etwas empfinden."

Schade, dass er dabei nicht geblieben ist. Das war glaubwürdig. Was er seitdem betreibt, ist mediales Harakiri. Eitel und unbedacht. Er biedert sich den Medien an, seine Sager dienen diesen noch als willkommene Schlagzeilen. Wie lange noch? Und dann? Sexuelle Belästigung ist bekanntlich kein Kinderspiel. Im Gegenteil. (Rubina Möhring, 7.11.2017)