Ein früher Prototyp des "Zauberteppichs", wie er von Post-Mitarbeitern genannt wird. Er soll die Paket-Lkws künftig vollautomatisch entladen.

Foto: The Schubidu Quartet

Graz – Der zunehmende Paketverkehr dank E-Commerce sorgt für steigende Auslastungen in den Verteilzentren der Logistiker. Einer der Flaschenhälse in der Abfertigung der Paketmassen ist das Entladen der Lkws. Pakete verschiedener Größe, die im Laderaum meterhoch gestapelt sind, müssen möglichst schnell auf die Fließbänder in den Logistikhallen kommen, um entsprechend ihrer Destination sortiert zu werden. Bis jetzt werden die Lkws großteils von Hand entladen – ein zeitaufwendiger und nicht gerade sehr angenehmer Job.

Vollautomatische Lösung

Ein Grazer Start-up ist nun dabei, eine erste vollautomatische Lösung für den Weg der Pakete aus dem Lkw aufs Fließband zu entwickeln. Andreas Wolfschluckner und Matthias Fritz wurden als Universitätsassistenten am Institut für Technische Logistik der TU Graz auf die Problemstellung aufmerksam und hatten eine Idee, wie man die Verteilzentren nachrüsten könnte, ohne dass man auch die Lkws nachträglich mit allzu aufwendiger Technologie ausstatten muss.

Die Österreichische Post wurde auf den ab 2014 entwickelten Ansatz der Grazer Erfinder aufmerksam, es folgte das gemeinsame, von der Förderagentur FFG unterstützte Forschungsprojekt "Eagle" und Anfang 2017 schließlich die Gründung des PHS Logistiktechnik genannten Unternehmens. Die Post, die das System in ihren Verteilzentren einsetzen will, ist als Investor dabei.

Das Grundprinzip ist einfach: Auf dem Boden des Containers, der entladen wird, ist ein dünner Gurt ausgebreitet, ein "Förderband", das aber nicht umlaufend ist, erklärt Andreas Wolfschluckner. Dieser Gurt wird automatisch an das Entladesystem gekoppelt. Dann wird das Band langsam heraus- und nach unten weggezogen, sodass die daraufliegenden Pakete außerhalb des Containers auf einem tatsächlichen, schneller laufenden Förderband landen.

Die Pakete laufen nun über Stufen und Verengungen, sodass sie am Ende einzeln auf der Förderbahn des Verteilzentrums ankommen. Ist der ganze Gurt samt Paketen herausgezogen, zieht ihn eine kleine federgetriebene Trommel im Lkw "ähnlich wie ein Staubsaugerkabel" wieder zurück. "Im Container ist also kein eigener Antrieb, kein elektrischer Strom nötig", stellt Wolfschluckner klar.

Langwierige Optimierung

Die Komplexität der Entwicklung liegt im Detail. Damit die Entladung und die Vereinzelung der Pakete funktioniert, ohne dass Stücke zurückbleiben oder von den mehr als zwei Metern Höhe des Paketebergs im Container herunterfallen, war langwierige Optimierungsarbeit nötig.

Sie erfolgte zum Teil im Rahmen computergestützter Simulationen an der TU Graz. Nicht nur die richtige Geschwindigkeit und die effizienteste Reihenfolge der Förderbänder musste gefunden werden. "Wir haben uns einige Zusatztricks einfallen lassen, damit es gut funktioniert", sagt Wolfschluckner.

Geschwindigkeitswechsel, der Steigungswinkel der Förderbänder, ein Kunststoffvorhänger, der den Paketepulk mit der passenden Stärke zurückhält, gehören dazu. Die gesamte Anlage muss dazu auf den wenigen Quadratmetern, die die Entladebucht bietet, passen.

Mithilfe des Geräts soll sich der Entladevorgang stark beschleunigen. Die Container sind mit 500 bis 2000 Paketen beladen. Eine manuelle, mit Teleskopförderbändern unterstützte Entladung dauert für einen Mitarbeiter zumindest eine Stunde. Das automatische Entladesystem werde das inklusive An- und Abdocken in mindestens 20 bis 25 Minuten schaffen, sagt Wolfschluckner. Eine weitere Beschleunigung sei denkbar.

Im kommenden Frühling soll in einem Post-Verteilzentrum ein Vorseriengerät in den Testbetrieb starten. Wenige Monate später soll dann die Produktion einer kleineren Serie starten. Auch wenn es nur eine Handvoll großer Logistik-Player gibt, hält Wolfschluckner den Markt für die Entwicklung für relativ groß: "Es reicht ein Blick auf Deutschland mit seinen großen Verteilzentren. Hier wird gerade stark ausgebaut." (Alois Pumhösel, 13.11.2017)