Die meisten Österreicher stellen dem Gesundheitssystem ein gutes Zeugnis aus. Damit das so bleibt, müssen aber Probleme in Angriff genommen werden.

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Wien – Ende Juni wurde Alexander Biach zum neuen Chef des Hauptverbands gewählt. Demnächst wird es auch eine neue Bundesregierung geben. Bevor diese ihre Arbeit aufnimmt, formulierte Biach schon rechtzeitig seine Forderungen, stellvertretend für die insgesamt 22 Sozialversicherungsträger. Sein stärkstes Argument: eine repräsentative Umfrage unter 4.000 Österreichern aus dem Pool der insgesamt rund 8,5 Millionen Versicherten.

"Das heimische Gesundheitssystem ist bei weitem nicht so schlecht, wie es immer wieder dargestellt wird", betont Biach. Das sieht auch der Großteil der Bevölkerung ab 15 Jahren so. 76 Prozent sind (sehr) zufrieden mit den Leistungen der Krankenkassen, ergab die Auswertung der vom Meinungsforschungsinstitut GfK durchgeführten Befragung. Das heißt aber auch: Knapp ein Viertel der Kunden ist eher oder sehr unzufrieden. "Es lässt sich über die Jahre eine geringfügig kritischere Haltung ablesen, da das Misstrauen gegenüber Institutionen zunimmt", ergänzt Studienleiter Rudolf Bretschneider.

Was die Versicherten konkret monieren, wurde ebenfalls erhoben. Auf die ungestützte Frage, welche drei Dinge in Bezug auf das Gesundheitssystem sofort umgesetzt werden sollten, rangiert mit 29 Prozent ganz oben die Erhöhung der Zuschüsse beziehungsweise die vollständige Kostenübernahme von Brillen, Impfungen, Medikamenten und Zahnersatz. 26 Prozent sehen auch in der Qualität der Arzt-Patient-Beziehung noch Luft nach oben: Kürzere Wartezeiten, vor allem bei den Fachärzten, weniger bürokratischer Aufwand und mehr Zeit für die Patienten sind hier die häufigsten Wünsche. Etwas mehr als ein Viertel der Bevölkerung (26 Prozent) ortet auch einen Ärztemangel beziehungsweise Mankos in der flächendeckenden Versorgung.

Gleiche Leistungen fürs gleiche Geld

Rund jeder siebente Befragte (15 Prozent) nimmt das österreichische Gesundheitssystem als ungerecht wahr und spricht von einer "Mehrklassenmedizin". Das liegt nicht zuletzt an den zum Teil sehr unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Für viele Versicherte ist es demnach nicht nachvollziehbar, warum sie österreichweit die gleichen Krankenversicherungsbeiträge zahlen, der Leistungskatalog je Krankenkasse aber unterschiedlich ist.

Das soll sich nun ändern: "Für 18 von insgesamt 23 Bereichen haben wir bereits eine Leistungsharmonisierung erreicht", sagt Biach. So wurde der Zuschuss für die Zeckenimpfung auf vier Euro festgelegt. Ausgenommen davon sind Bauern, die rund 17 Euro rückerstattet bekommen. Für medizinisch notwendige Transporte beträgt der Selbstbehalt bis zu 11,70 Euro. Mit 1. Jänner 2018 soll dieser komplett entfallen. Ein weiteres Beispiel: Wer in Wien einen Rollstuhl benötigte, erhielt maximal 498 Euro von der Gebietskrankenkasse. In Oberösterreich waren es bis zu 3.320 Euro. "Für diesen Bereich erfolgte nun eine Harmonisierung im Sinne des oberösterreichischen Modells", betont der Chef des Hauptverbands.

Attraktive Angebote für Landärzte

Biachs Plan gegen die Abwanderung von Ärzten in die Städte: eine Finanzierung der Ausbildung für Ärzte auf dem Land, "indem etwa die gesamten Ausbildungskosten rückwirkend beim Finanzamt geltend gemacht werden können. Zudem sollen sich zwei Landärzte eine Kassenstelle teilen dürfen." Was außerdem noch fehlt: "Ein Gesetz, das eine Anstellung von Ärzten in Gruppenpraxen erlaubt. Hier gibt es eine enorme Nachfrage."

Die Möglichkeit zur Kostenreduktion sieht der Hauptverband auch in einer "modernen Verwaltung". "Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass jeder Sozialversicherungsträger eine eigene IT-Lösung forciert. Zudem sind für neun Gebietskrankenkassen nicht neun Rechtsabteilungen notwendig. Auch der Einkauf von Medikamenten oder der Abschluss von Verträgen könnte zentral erfolgen", sagt Biach.

Patienten und Versorgung steuern

Einsparungseffekte erwartet sich der Hauptverband auch von der Steuerung der Patienten. "Um die Spitalsambulanzen zu entlasten, müssen wir die Patienten weg vom 'most expensive point of service' hin zum 'best point of service' bringen – beispielsweise in Primärversorgungszentren." Um das zu erreichen, will der Hauptverband die Patientenhotline 1450 massiv ausbauen. "Künftig soll 1450 an die Ambulanz überweisen. Wenn jemand nicht überwiesen wird und trotzdem auf dieser teuersten Versorgung besteht, dann soll er eine Ambulanzgebühr bezahlen", so Biach.

Die telefonische Erstauskunft kennt der GfK-Befragung zufolge rund ein Drittel der Österreicher (35 Prozent). Das Service gibt es momentan aber auch nur in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg. (gueb, 9.11.2017)