Elisabeth Köstinger wurde von der ÖVP am Mittwoch zur Nationalratspräsidentin designiert.

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Wien – Die Optik ist nicht die allerbeste, aber ein Skandal, wie das SPÖ und Neos jetzt suggerieren, ist die Bestellung von Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin keineswegs. Die 38-Jährige Kärntnerin saß zwar bisher nicht im Parlament in Wien, hat aber als EU-Abgeordnete langjährige Erfahrung. Ihr fehlendes Know-how zu unterstellen beziehungsweise die Eignung für dieses Amt abzusprechen ist daher absurd.

Als Christian Kern im Vorjahr quer in das Kanzleramt einstieg, ohne vorher einen einzigen Tag als Abgeordneter oder Minister gearbeitet zu haben, hatte auch niemand in der SPÖ Bedenken geäußert. Wenn der rote Klubchef Andreas Schieder Köstinger nun die Erfahrung abspricht, dann misst er aus parteitaktischen Gründen mit zweierlei Maß.

Interimslösung?

Als zweites zentrales Argument gegen die Nominierung Köstingers führt Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak an, dass die Kurz-Vertraute möglicherweise nur vorübergehend den Präsidentenjobs übernimmt. Er sieht darin eine Geringschätzung des Hohen Hauses.

Fakt ist: Es könnte tatsächlich zu einem neuerlichen Wechsel kommen. Darin muss man aber nicht gleich eine Desavouierung des Parlaments sehen. Die Nationalratspräsidentin ist zwar laut diplomatischem Protokoll der zweithöchste Posten der Republik (nach dem Bundespräsidenten), realpolitisch hält sich das Gewicht aber in engen Grenzen. Es handelt sich um einen Repräsentationsjob.

Fakt ist auch: Köstinger ist – das ist kein großes Geheimnis in der Volkspartei – eine mögliche Ministerkandidatin. Somit ist klar: Kurz‘ Entscheidung für die Bauernbündlerin ist mit einer taktischen Komponente verbunden. Er möchte sich für die Koalitionsverhandlungen und die Phase danach alle Optionen offenhalten. Braucht er Köstinger in der Regierung, wird er sie in sein Kabinett holen. Braucht er den Nationalratsposten für jemand anderen (Wolfgang Sobotka wird immer wieder genannt), wird seine Mitstreiterin keine Probleme bei der Übergabe machen.

Taktik gehört zur Politik

Beim derzeit Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf war sich Kurz diesbezüglich offenbar nicht so sicher. Das verrät einiges über das Politikverständnis des Außenministers und darüber, wie sehr er auf seinen engsten Beraterkreis vertraut (und anderen misstraut), ist aber noch kein Grund zur Empörung. Taktik gehört zur Politik. Etwas anderes zu erwarten wäre naiv. Kopf ist das natürlich bewusst. Er ist lange genug im Geschäft ist und weiß, dass er derzeit in der falschen Partie der Partei ist.

Das gilt auch für viele andere Vertreter der alten ÖVP. Reinhold Lopatka kann ein Lied davon singen. Aber sie alle haben Kurz mit umfassenden innerparteilichen Kompetenzen ausgestattet. Wenn er diese nun ausspielt, ist das nur folgerichtig. Das ist die neue Volkspartei. (Günther Oswald, 8.11.2017)