"Bei meiner Arbeit baue ich von Anfang an auf die Klugheit unserer Userinnen und User": Martin Kotynek.

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Heute ist mein erster Tag als Chefredakteur des STANDARD. Damit kehre ich dorthin zurück, wo das Abenteuer Journalismus für mich begonnen hat: zum einen in mein Heimatland Österreich, nach zehn Jahren bei der "Zeit" in Berlin und der "Süddeutschen Zeitung" in München; zum anderen zu jenem Medium, mit dessen weltoffenem Geist ich aufgewachsen bin. In dieser Zeit haben sich die Möglichkeiten, Nachrichten zu konsumieren und Geschichten zu erzählen, stark weiterentwickelt, zugleich ist auch das Interesse der Userinnen und User gestiegen, sich an Debatten zu beteiligen.

Empathie

Qualitätsjournalismus ist dann zeitgemäß, wenn er diese Entwicklungen aufnimmt, wenn er sich nicht als starre Institution begreift, die stets alles besser weiß, predigt und belehrt, sondern mit Empathie zuallererst sucht, fragt und zuhört. So können wir als Journalisten verstehen, welche Bedürfnisse die Menschen haben, mit welchen Schwierigkeiten sie in ihrem Leben kämpfen, bei welchen Themen es Unklarheiten gibt. Wir können dorthin schauen, wo es dunkel ist, kritisch hinterfragen und unbeugsam recherchieren. So können wir als Journalisten den Menschen helfen, sich einen Reim auf diese komplexe Welt zu machen und die Fakten zu kennen. Qualitätsjournalismus ist dann erfolgreich, wenn es gelingt, dass die Gesellschaft miteinander darüber ins Gespräch kommt, wie wir in Zukunft leben wollen.

Haltung

Herausforderungen gibt es genug: die sozialen Folgen der Automatisierung, das zunehmend ungleich verteilte Vermögen, Migration, Klimawandel, Terror und Islamismus. Mit dem Regierungswechsel geht zum einen die Hoffnung einher, dass Dinge in Bewegung kommen, die Österreich auf diese Herausforderungen vorbereiten. Zum anderen besteht Anlass zur Sorge, dass sich Intoleranz, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft verbreiten. Es ist Aufgabe des unabhängigen Journalismus, die Arbeit der Politik kritisch zu begleiten und sie einzuschätzen – im Falle des STANDARD mit unserer liberalen, weltoffenen Haltung. Und bei allen Problemen soll ein Medium auch den Blick für das Schöne behalten, über wissenschaftliche Erkenntnisse, kulturelle Höhepunkte berichten, seine Userinnen und User inspirieren.

Austausch

Bei meiner Arbeit baue ich von Anfang an auf die Klugheit unserer Userinnen und User. Ich würde mich freuen, einige von Ihnen bei einem Mittag- oder Abendessen im kleinen Kreis in Wien und den Landeshauptstädten zu treffen. Wenn Sie Interesse haben, schreiben Sie an chefredaktion@derStandard.at. Ich lade Sie herzlich ein und freue mich auf Sie! (Martin Kotynek, 8.11.2017)