Brüssel – Die EU-Kommission hält auch nach dem Patt unter den EU-Staaten an ihrem Vorschlag für eine fünfjährige Verlängerung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat fest. "Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten, die abgestimmt haben, hat unseren Vorschlag unterstützt", sagte eine EU-Kommissionssprecherin am Donnerstag. Man sei "auf dem richtigen Weg".

Laut Kommission stimmten 14 Staaten für den Vorschlag, die Zulassung von Glyphosat in der EU für fünf Jahre zu verlängern. Für die erforderliche qualifizierte Mehrheit reichte das allerdings nicht. Österreich stimmte laut Diplomaten dagegen.

Als Nächstes werde sich der Berufungsausschuss mit der Glyphosat-Zulassung befassen, sagte die EU-Kommissionssprecherin. Dieser funktioniere im Prinzip wie der bisherige Fachausschuss, der sich aus den Experten der EU-Staaten zusammensetzt, nur auf höherer Ebene. Laut Diplomaten könnten etwa dann die EU-Botschafter über die Glyphosat-Verlängerung entscheiden. Ein Datum für das Treffen des Berufungsausschusses stand am Donnerstag noch nicht fest. In Ratskreisen ging man aber wegen der Fristenläufe davon aus, dass das Gremium noch im November zusammenkommt. Die Zulassung von Glyphosat in der EU läuft am 15. Dezember ab.

Berufungsausschuss als Ultima Ratio

Der Berufungsausschuss wäre die letzte Gelegenheit, bei der sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss einigen könnten. Kommt es auch dann zu keiner qualifizierten Mehrheit für oder gegen den EU-Kommissionsvorschlag, könnte die EU-Kommission letztlich alleine darüber entscheiden. Bisher hatte die EU-Kommission immer erklärt, dass sie nicht im Alleingang über Glyphosat entscheiden wolle, sondern die EU-Staaten hinter sich haben wolle.

Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die EU-Agenturen halten den Wirkstoff allerdings für unbedenklich. Die EU-Kommission ist zuletzt zurückgerudert und hat eine fünfjährige Verlängerung der Zulassung vorgeschlagen, nachdem es für zehn Jahre unter den EU-Staaten keine Mehrheit gab. Auch das Europaparlament hat – in einer nicht bindenden Entschließung – eine Verlängerung um fünf Jahre gefordert, will dann aber ein EU-weites Glyphosat-Verbot durchsetzen.

Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach hält es für "unwahrscheinlich, dass sich unter den Mitgliedstaaten eine qualifizierte Mehrheit findet. Danach liegt der Ball endgültig bei der EU-Kommission, von der ich mir ein mutigeres Vorgehen erwarte. Wir brauchen so schnell wie möglich ein Verbot des Pflanzengifts", sagte sie. "Für mich ist klar, dass mit der Salamitaktik der ewigen Glyphosat-Verlängerung Schluss sein muss." Mehr als 1,3 Millionen Menschen hätten bereits eine europäische Bürgerinitiative für ein Verbot unterzeichnet

Geteilte Reaktionen in Österreich

Die Uneinigkeit in den EU-Staaten hat in Österreich zu geteilten Reaktionen geführt. Während die Industrie Gruppe Pflanzenschutz (IGP) ein "unwürdiges Schauspiel" sah, sprach Greenpeace von einem "Abstimmungserfolg der Glyphosat-Gegner".

"Das unwürdige Polit-Schauspiel um Glyphosat schadet dem Landwirtschafts-, Wirtschafts-, Forschungs- und Wissenschaftsstandort Europa sowie dem Ansehen der EU-Behörden. Hier werden wissenschaftliche Fakten zur Sicherheit von Glyphosat aus 3.300 Studien sowie die Ergebnisse der Bewertungen der EU-Behörden ignoriert", kritisierte Christian Stockmar, Obmann der Industrie Gruppe Pflanzenschutz (IGP). Österreich könne sich bei Getreide, Gemüse, Obst und bei pflanzlichen Ölen nicht mehr zu 100 Prozent selbst versorgen und sei auf Importe aus dem Ausland angewiesen.

"Mit einem Verbot von Glyphosatwird sich das weiter zuspitzen", kritisierte der Obmann. Zudem würden die CO2-Emissionen signifikant ansteigen, ebenso wie das Risiko für Bodenerosion. "Wirkstoffe sind wichtige Substanzen für landwirtschaftliche Kulturen, um diese vor Krankheiten, Schädlingen sowie Unkraut zu schützen", betonte Stockmar.

Greenpeace fordert vollständiges Verbot

Greenpeace begrüßte hingegen das Ergebnis und forderte ein "vollständiges Verbot des umstrittenen Pflanzengifts". "Dieses Abstimmungsergebnis ist ein weiterer großer Erfolg für die europaweite Bewegung gegen Glyphosat", sagte Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace in Österreich. "Glyphosat ist das Asbest unserer Generation. Es ist überall, und die Gefahren für Mensch und Umwelt sind bekannt." Ebenso wüsste man inzwischen, wie "Monsanto versucht habe, den wissenschaftlichen Prozess zu Glyphosat zu beeinflussen".

"Das erneute Scheitern der EU-Kommission ist ein Misstrauensvotum der EU-Staaten gegenüber der Bewertung von Glyphosat durch die europäischen Behörden", sagte Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000. "Die zahlreichen Enthüllungen zu 'übersehenen' Krebsbefunden, bezahlter Wissenschaft sowie der Copy-Paste-Skandal zeigen, dass dieses Misstrauen berechtigt ist", meinte Burtscher. Die Kommission müsse nun "die Notbremse ziehen und als nächsten Schritt einen Zulassungsstopp vorschlagen". (APA, 9.11.2017)