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Die Konjunktur sieht die Kommission sehr positiv.

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Brüssel/Wien – In der Debatte über ein allfälliges Budgetloch und ein möglicherweise notwendiges Sparpaket in Österreich hat sich am Donnerstag die EU-Kommission zu Wort gemeldet. Diese sieht ebenfalls größeren Anpassungsbedarf. Sie erwartet im kommenden Jahr ein strukturelles Defizit von 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Erlaubt sind allerdings nur 0,5 Prozent. Die Lücke, die es zu schließen gilt, liegt beirund 1,5 Milliarden Euro. Trotz des Konsolidierungsbedarfs werden die zuletzt im Rahmen der Koalitionsverhandlungen vorgelegten Zahlen dadurch alles andere als bestätigt.

Zwei Versionen

Türkis-Blau rechnet unter Berufung auf Daten aus dem Finanzministerium mit einem strukturellen Defizit von 1,5 Prozent des BIP 2018 und folglich mit einer notwendigen Sanierung im Volumen von vier Milliarden Euro. Allerdings: Nur wenige Wochen zuvor hatte dasselbe Finanzministerium noch Zahlen nach Brüssel gemeldet, die mit jenen der EU-Kommission mehr oder weniger ident waren, weshalb die SPÖ bereits spekulierte, die Regierungsverhandler würden die Budgetlage bewusst schlechter darstellen.

Man habe die Maßnahmen aus dem Frühjahr und kurz vor den Wahlen im vollen Umfang analysiert, war dazu am Dienstag aus dem von Hans Jörg Schelling (ÖVP) geführten Finanzministerium zu hören. Dass nun auch die EU-Kommission – ähnlich wie heimische Wirtschaftsforscher – ein niedrigeres Defizit vorhersieht, wurde am Donnerstag mit "unterschiedlichen Berechnungsansätzen" erklärt. Was das bedeutet, behielt das Finanzministerium trotz Nachfrage für sich.

Bankenabgabe sinkt

Dass überhaupt trotz besserer Konjunktur eine Verschlechterung beim Budget erwartet wird, hat laut EU-Kommission zwei Gründe: Die Bankenabgabe wird massiv reduziert, und bei den Lohnnebenkosten sind weitere Senkungen beschlossen worden. Gleichzeitig steigen die Ausgaben unter anderem wegen Jobbonus und anderer noch von Rot-Schwarz beziehungsweise im Rahmen der letzten Parlamentssitzungen beschlossenen Maßnahmen.

Kommission lobt positiven Trend

Die Konjunktur sieht die Kommission sehr positiv. Das Wachstum soll in Österreich heuer auf 2,6 Prozent anspringen. Die Erholung wird auch 2018 anhalten – wobei die Steigerung des BIP dann laut Prognose vom Donnerstag 2,4 Prozent betragen soll. Die Kommission lobt auch den positiven Trend beim Abbau der Arbeitslosigkeit. Nach 6,0 Prozent 2016 werde die Rate nun auf 5,6 Prozent zurückgehen und bis 2019 auf 5,4 Prozent weiter sinken.

Die Migrationsbewegungen aus den europäischen Nachbarstaaten könnten den Rückgang der Arbeitslosigkeit dämpfen, während auf der anderen Seite mehrere Maßnahmen der Regierung darauf abzielten, die Teilnahme von älteren Menschen und Frauen am Arbeitsmarkt zu stärken.

Europa im Aufwind

Für die gesamte EU weist die Herbstprognose das höchste Wirtschaftswachstum seit zehn Jahren aus. Für das laufende Jahr rechnet die Kommission mit einem Plus von 2,3 Prozent, gefolgt von einer allmählichen Abkühlung bis 2019. Mit deutlich mehr als fünf Prozent Wachstum stehen heuer Malta und Rumänien in der Union an der Spitze.

Deutschland wird seiner Rolle als europäischer Konjunkturlokomotive im laufenden Jahr mit einem Wachstum von lediglich 1,6 Prozent noch nicht gerecht. In den kommenden zwei Jahren rechnet die Kommission jedoch mit einem überdurchschnittlichen Plus in der Bundesrepublik von jeweils 2,5 Prozent. Italien und Großbritannien wiesen mit je 1,5 Prozent die geringste Dynamik auf, gefolgt von Frankreich sowie Griechenland mit 1,6 Prozent Wachstum.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat von einer "neuen Phase des Wirtschaftsaufschwungs" gesprochen. Gleichzeitig versuchte er, nicht zu euphorisch zu sein. "Mittlerweile stehen wir sehr viel besser da als vor der Krise 2008", doch sei trotzdem Vorsicht angebracht. Jedenfalls könnten 2018 die letzten drei Staaten (Frankreich, Großbritannien und Spanien) aus dem Defizitverfahren herauskommen. Zwar gab es auch Verbesserungen am Arbeitsmarkt, doch sei die Zahl der "unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten noch hoch". (red, 9.11.2017)