Bedrückende These bestätigt: Eine gewalttätige Umgebung färbt auf Kinder und Jugendliche ab.

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Kinder und Jugendliche, die in ihrer Wohnumgebung mit Gewalt konfrontiert sind, zeigen in stärkerem Ausmaß antisoziales Verhalten. Eine aktuelle Studie aus der Schweiz stützt nun diese These. Forschende der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel haben den Zusammenhang zwischen Gewalterfahrungen und antisozialem Verhalten an über 1000 Kindern und Jugendlichen in sieben europäischen Ländern untersucht. Die Resultate der Studie wurden im Journal "Frontiers of Behavioral Neuroscience Research" veröffentlicht.

Erlebte oder beobachtete Gewalt

Das Forscherteam ist der Frage nachgegangen, inwieweit die Wohnumgebung einen negativen Einfluss auf die Entwicklung aggressiven und antisozialen Verhaltens haben kann. Bei solchen Gewalterfahrungen kann es sich beispielsweise um erlebte oder beobachtete Schlägereien, Verfolgungen oder Bedrohungen handeln.

In Europa zählen Störungen des Sozialverhaltens zu den häufigsten Gründen für eine Anmeldung in kinder- und jugendpsychiatrischen Fachstellen. Die Störung ist durch oppositionelles, aggressives und dissoziales Verhalten gekennzeichnet und ist häufig mit einer ungünstigen psychischen Entwicklung verbunden. Bei Betroffenen besteht ein hohes Risiko für Schulabbrüche, fehlende berufliche Integration, die Entwicklung von psychischen Erkrankungen oder Kriminalität.

Antisoziales Verhalten

Die Forschenden untersuchten insgesamt 1178 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 18 Jahren aus sieben europäischen Ländern. Die Studie umfasste erstmals gesunde Kinder und Jugendliche (662 Probanden) sowie Kinder und Jugendliche mit einer diagnostizierten Störung des Sozialverhaltens (516 Probanden). Die Resultate zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit häufigen Gewalterfahrungen in ihrer Wohnumgebung häufiger antisoziales Verhalten aufweisen als Kinder und Jugendliche ohne solche Erfahrungen.

"Wir stellen fest, dass höhere Raten an Gewalterfahrungen innerhalb der Wohnumgebung mit antisozialem Verhalten zusammenhängen. Bemerkenswert ist, dass dies gleichermaßen für gesunde Kinder und Jugendliche nachzuweisen ist als auch für solche mit bereits existierenden Verhaltensauffälligkeiten", sagt die Studienautorin Linda Kersten. "Wir können mit dieser Studie ausschließen, dass die Verbindung zwischen Gewalterfahrungen und antisozialem Verhalten allein auf der Tatsache beruht, dass sich Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens eher in Gegenden aufhalten, in der mehr Gewalt herrscht", so Kersten weiter.

Prävention kann helfen

Laut den Autorinnen und Autoren der Studie könnten die Resultate bei der Entwicklung von Präventionsprogrammen helfen: "Die Studie regt dazu an, die Bemühungen für die Etablierung von Präventionsprogrammen in Gegenden mit hohen Gewalt- und Kriminalitätsraten zu verstärken. Ziel ist es, die potenzielle Isolation von jungen Leuten mit viel Gewalterfahrung zu verhindern und somit den gefährlichen Teufelskreis von Gewalterfahrung und Gewalttätigkeit zu unterbrechen", sagt Christina Stadler, Professorin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. (red/idw, 9.11.2017)