Die Präsentation der Überprüfung von Ednan Aslans Kindergartenstudie durch die Universität Bayreuth am Mittwoch in Wien fand unter größtem medialem Interesse statt.

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Selten rufen Pressegespräche im akademischen Bereich solch hohes Interesse hervor wie das vom Mittwoch an der Universität Wien, in welchem die Ergebnisse der externen Prüfung von Ednan Aslans umstrittener Kindergartenstudie präsentiert wurden. Aslan stand nicht nur wegen der angeblichen Einflussnahme von Beamten des Außenministeriums in der Kritik, sondern auch, weil wesentliche Teile der Feldforschung an externe Unternehmensberater ausgelagert worden waren.

Unter der Leitung von Stephan Rixen (Universität Bayreuth) hat die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) die Vorwürfe geprüft, mit dem Fazit: Wissenschaftliches Fehlverhalten liege nicht vor, die wissenschaftliche Güte der Studie sei jedoch zweifelhaft. Ein verbindliches Regelwerk, um diese sicherzustellen, fehlt, wie Rektor Heinz Engl beim Pressegespräch festhielt – verbunden mit dem Vorschlag, ein unabhängiges Advisory-Board für Auftragsstudien, insbesondere bei politisch heiklen Themen, zu implementieren. Dieser Vorschlag ist zu unterstützen, da in der Tat Auftragsforschung in den seltensten Fällen extern evaluiert, als frei zugängliches Working-Paper veröffentlicht oder gar einem anonymen Begutachtungsverfahren ("double-blind peer review") unterzogen wird.

Studien für die Schublade

Letzteres gilt trotz berechtigter Kritik weiterhin als akademischer Goldstandard. Häufig werden öffentlich finanzierte Studien der Allgemeinheit überhaupt nicht zur Verfügung gestellt, wie zwei aktuelle Arbeiten zu den möglichen wirtschaftlichen Folgeeffekten der Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn bis nach Wien sowie zu den gesamtwirtschaftlichen Effekten des österreichischen Bundesheers zeigen.

Beide Studien wurden medial und politisch umfangreich diskutiert, kurze Ergebniszusammenfassungen lassen sich online recherchieren. Die detaillierten Studienberichte sind aber auch nach Direktanfrage an die durchführenden Institutionen nicht zugänglich. Dass die Gesamtstudien nicht veröffentlicht werden, verhindert einen seriösen und kritischen Diskurs über deren Ergebnisse und Aussagekraft. Gleichzeitig wird die Bevölkerung um ihr Recht auf Transparenz und niederschwelligen Zugang zu solchen Studien gebracht, obwohl diese aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind.

Handlungsbedarf

Politischer Handlungsbedarf besteht auch in Bezug auf die Vergabe- und Abwicklungspraktiken von Studien durch die öffentliche Hand, wofür in Österreich das Bundesvergabegesetz sowie etwaige Länderbestimmungen relevant sind. Demzufolge gelten wissenschaftliche Studienaufträge als Dienstleistungen und können bis zu einem Vergabewert von 100.000 Euro direkt von der beauftragenden Stelle vergeben werden. Die Direktvergabe reduziert zwar den bürokratischen Aufwand, kann aber gleichzeitig die Transparenz im Vergabeprozess schmälern. So können Aufträge ohne das Wissen anderer potenziell interessierter und qualifizierter Anbieter erteilt werden. Einfache Maßnahmen wie die Einrichtung einer Internetplattform, in der alle Vergabevorhaben öffentlicher Institutionen gelistet sind, könnten die Transparenz im Vergabebereich wesentlich erhöhen, ohne den administrativen Aufwand deutlich zu steigern.

Vergabe und Begutachtung

In der wissenschaftlichen Grundlagenforschung ist es üblich, neue Arbeiten einem rigorosen, anonymisierten Begutachtungsverfahren zu unterziehen, bevor sie publiziert werden können. Bei Auftragsarbeiten für die Europäische Kommission muss bereits bei Angebotslegung ein Ablaufplan für die Qualitätssicherung vorgeschlagen und müssen potenzielle Gutachter benannt werden. Dieser Aspekt fließt in die Gesamtbewertung des Angebots ein und ist somit unmittelbar für eine mögliche Beauftragung relevant.

In Österreich ist ein solches System für öffentliche Aufträge kaum etabliert. Während größere Forschungsinstitute wie etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ein internes Begutachtungsverfahren etabliert haben, um die selbstauferlegten Qualitätsstandards sicherzustellen, verzichtet die Mehrheit der Auftragnehmer häufig auf die Begutachtung oder die nachträgliche wissenschaftliche Publikation der Ergebnisse. Um diesem Problem proaktiv zu begegnen, sollte jede öffentliche Auftragsvergabe explizit eine (externe, im Idealfall sogar internationale) Begutachtung vorsehen. Diese Maßnahme ist allerdings nur dann effektiv, wenn solche Verfahren flächendeckend durchgeführt werden und öffentliche Institutionen bereit sind, zusätzliche Ressourcen für die Abwicklung eines Begutachtungsverfahrens bereitzustellen.

Neben verpflichtenden Qualitätsstandards braucht es aber auch ganz generell ein Bewusstsein, dass "Wissen schaffen" nicht im sozialen, historischen oder politischen Vakuum passiert und keine absolute, objektive Wahrheit erzeugt. Statt die "absolute Wahrheit" für sich zu beanspruchen, sollten auch Forschende öfter von "Wahrscheinlichkeiten" sprechen, die ganz konkreten strukturellen Produktionsbedingungen unterliegen: Eine öffentliche Universität sieht sich demnach mit ganz anderen Rahmenbedingungen konfrontiert als eine private, als wiederum eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, ein Thinktank, eine Interessenvertretung oder ein Beratungsunternehmen. Das betrifft Fragen der Finanzierung, aber auch der Evaluierung(smöglichkeiten), nationaler und internationaler Vernetzung, des Publikationsdrucks und vieles mehr.

Diese darunterliegenden Konditionen einerseits im Bewusstsein zu halten und andererseits offener an Auftraggeber und breite Öffentlichkeit zu kommunizieren ist eine zentrale Verantwortung von Wissensarbeit in postfaktischen Zeiten. Gemeinsam mit mehr Transparenz bei der Vergabe und (politischer) Verwertung kann die kritische Reflexion von Studienautoren über die eigene gesellschaftliche Verortung den Beitrag von Wissenschaft und Forschung zu aktuellen Debatten sichtbarer machen.

Auf Expertise zurückgreifen

Denn grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, wenn Entscheidungsträger im Zuge ihrer Maßnahmenplanung auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen. Im Idealfall kann durch das Vorliegen empirischer Evidenz die Qualität sozial- und wirtschaftspolitischer Entscheidungen signifikant gesteigert und somit die Akzeptanz politischer Entscheidungen erhöht werden. (Jesus Crespo Cuaresma, Judith Kohlenberger, Harald Oberhofer, 9.11.2017)