Ein Palmendieb hat einen Seevogel aus dem Nest geholt.
Screenshot: Mark Laidre/ Dartmouth College

Hanover – Palmendiebe (Birgus latro) sind Krebstiere von beeindruckendem Kaliber. Die auch als Kokosnussräuber bekannten Einsiedlerkrebs-Verwandten können bis zu vier Kilogramm wiegen, also etwa so viel wie eine Hauskatze. Die Spannweite ihrer Beine erreicht einen Meter, was sie zu den größten landlebenden Wirbellosen der Erde macht. Im Meer würden sie ertrinken, sie benötigen aber immer noch Wasser, um ihre an die Luftatmung angepassten Kiemenhöhlen feucht zu halten.

Die dunkelblauen bis orange-roten Krebse kommen auf tropischen Inseln des Indischen und Pazifischen Ozeans vor. Wie es um ihren Bedrohungsstatus steht, lässt sich aktuell schwer sagen: Die vorliegenden Zahlen zu den Beständen sind mehr als 20 Jahre alt, für eine aktuelle Einschätzung fehlen laut Weltnaturschutzunion IUCN entsprechende neuere Daten.

Früchte und Fleisch

Palmendiebe sind bekannt für ihre Baumkletterfähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, an Früchte und Kokosnüsse heranzukommen. Mit ihren kräftigen Scheren gelingt es ihnen, die Schalen der Nüsse binnen kurzer Zeit zu knacken. Diese pflanzliche Nahrung bereichern Palmendiebe ab und zu auch mit Fleisch, doch bisher war man davon ausgegangen, dass sie sich diese zusätzlichen Proteine hauptsächlich von Aas oder kleinen Wirbeltieren wie jungen Schildkröten holten.

US-Wissenschafter wurden auf einer Insel südlich der Malediven nun eines Besseren belehrt: Das Team um Mark Laidre vom Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, war auf dem Chagos-Archipel im Indischen Ozean Zeuge eines regelrechten Überfalls, bei dem ein Palmendieb einen schlafenden Meeresvogel attackierte, tötete und schließlich zu verzehren begann. Chagos stellt eine ideale Umgebung zum Studium von Palmendieben dar. Die weitgehend unberührte Inselgruppe ist von einem der ausgedehntesten Meeresschutzgebiete der Welt umgeben und besitzt eine große Population dieser Riesenkrebse.

Flügelbrecher

Eines Nachts beobachtete Laidre einen Palmendieb beim Erklimmen eines Baumes. Der Krebs näherte sich dem Nest eines schlafenden Rotfußtölpels. Noch ehe der Vogel wusste, wie ihm geschah, hatte der Palmendieb ihn mit seinen Scheren gepackt und dabei einen Flügel gebrochen. Der verletzte Tölpel taumelte zu Boden, wohin ihm der Palmendieb folgte. Dort brach er dem Tölpel auch noch den zweiten Flügel, was sein Schicksal endgültig besiegelte. Wenig später tauchten am Schauplatz weitere Palmendiebe auf, die den Vögel stückweise auffraßen.

Video: Nächtlicher Krebsüberfall auf einen Tölpel.
Coconut Crab Conservation

Dass solche Krebse Vögel problemlos überwältigen könnten, bestätigt auch der japanische Wissenschafter Shin-ichiro Oka. In einer 2016 veröffentlichten Studie kommt er zu dem Schluss, dass Palmendiebe mit einer Kraft von bis zu 3.300 Newton zupacken können, das käme dem Biss eines Löwen nahe. Damit ließen sich die Knochen eines Vogels mit Leichtigkeit brechen, so Oka.

Von Palmendieben regierte Inseln

Sollte es sich hier um ein weit verbreitetes Verhalten handeln, könnte dies substanzielle ökologische Auswirkungen haben. Auf den kleineren Inseln des Chagos-Archipels sind Palmendiebe die mit Abstand größten Landtiere, schreiben die Forscher im Fachjournal "Frontiers in Ecology and the Environment". Damit könnten sie dort als Spitze der Nahrungskette unter den Seevögeln Furcht verbreiten, was dazu führt, dass letztere die entsprechenden Inseln immer mehr meiden. Tatsächlich zeigte eine Bestandsaufnahme: Dort, wo Palmendiebe besonders häufig sind, leben weniger Vögel.

Umgekehrt jedoch sorgt eine große Vogelpopulation dafür, dass sich die Krebse nicht so leicht verbreiten, weil sie als verwundbare Jungkrebse häufiger von den Vögeln erbeutet werden. Die Frage, wie häufig Palmendiebe tatsächlich Jagd auf Meeresvögel machen, wollen Laidre und sein Team nun mit Kameras beantworten, die sie vor den Wohnhöhlen der Palmendiebe aufstellen, um zu sehen, was sie so alles dorthin schleppen. (tberg, 12.11.2017)