Bild nicht mehr verfügbar.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn rief die Konferenz zur Pressefreiheit in Tirana ins Leben. Hier ist er bei einer Konferenz in Belgrad Mitte September zu sehen.

Foto: AP/Darko Vojinovic

"EU, mach mehr!" stand auf den T-Shirts der serbischen Journalisten, die die Balkan-Medienkonferenz, die diese Woche in Tirana stattfand, dazu nützten, ihre Situation publik zu machen. Tatsächlich hat die Pressefreiheit in Serbien in den vergangenen Jahren – seit Aleksandar Vučić an der Macht ist – abgenommen.

Der ehemalige Premier und aktuelle Präsident war Informationsminister unter Slobodan Milošević und hat die Techniken der Macht früh und sehr genau gelernt. Die Medien, die unter seiner Kontrolle stehen, inszenieren Kampagnen gegen investigative und kritische Journalisten und behaupten – ähnlich wie in Ungarn –, diese seien vom Ausland gesteuert.

Vergleicht man die Pressefreiheit in der Region, so ist sie in allen Staaten des Westbalkans katastrophal. In Serbien ist sie aber laut den Angaben von "Reporter ohne Grenzen" sogar noch vergleichsweise besser als in den Nachbarstaaten Mazedonien oder Kosovo. In Serbien regt man sich allerdings mehr darüber auf.

Das Bild ist überall dasselbe: Die allermeisten Medien werden von den Regierungen gefüttert, und die Berichterstattung ist dementsprechend propagandistisch. Andere Medien sind zuweilen von den Oppositionsparteien gekapert oder von Leuten aus der Wirtschaft, die sie als Instrument zur Umsetzung ihrer Geschäftsinteressen verwenden.

Schmierkampagnen und Gewalt

Journalisten haben oftmals keine Arbeitsverträge und trauen sich auch daher nicht, qualitativen, kritischen und investigativen Journalismus zu machen, weil ein solcher weder von den Besitzern der Medienhäuser noch von den Chefredakteuren gewollt oder gefördert wird. Im Gegenteil: Wer Mächtige kritisiert, muss mit extremem Druck, Schmierkampagnen, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder sogar mit Gewalt rechnen.

Auf dem gesamten Balkan gibt es deshalb nur ganz wenige qualitativ hochwertige Medien – die auch kaum von den Bürgern gelesen oder gesehen werden. Eines dieser Ausnahmemedien ist die Plattform Balkaninsight, die außerhalb der kommerziellen Sphäre gemacht und von vielen Mächtigen attackiert wird, weil sie kritische Distanz wahrt.

Ein Jahr Vorbereitung auf Konferenz

Weil der EU-Kommission klar ist, dass Medienfreiheit und Meinungsfreiheit die Basis für jegliche demokratische Entwicklung darstellt, hat ein Team in Brüssel ein Jahr lang die große Konferenz in Tirana vorbereitet. Eingeladen waren neben Journalisten auch Geldgeber und Medienexperten aus Wissenschaft und Bildung.

In einem der vielen Workshops der Konferenz ging es um Möglichkeiten, mittels Trainings die Qualität des Journalismus zu verbessern. Den Teilnehmern war dabei völlig klar, dass das Problem oft nicht bei den Journalisten liegt, sondern beim gänzlichen Desinteresse der Besitzer der Medienhäuser, die Kontrollfunktion von Journalismus in einer Demokratie zu unterstützen.

Initiator und EU-Kommissar Johannes Hahn dabei

Eine Idee war etwa, Journalisten künftig dahingehend auszubilden, wie sie mit dem Druck, der von Medienmanagern oder auch Vorgesetzten ausgeht, umgehen und zumindest versuchen können trotz aller Widrigkeiten kritischen Journalismus zu machen. Eine andere Idee war, dass die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit Herausgeberverbänden die Wichtigkeit des öffentlichen Interesses am Journalismus hervorhebt.

Der EU-Kommissar für Erweiterungsverhandlungen Johannes Hahn, der die Konferenz ins Leben gerufen hat und nun jährlich durchführen will, versicherte am Ende in einer Rede den Journalisten aus der Region, dass er auf "ihrer Seite" stehe. Er erzählte, dass er vor mehr als dreißig Jahren bei einem Besuch in Nicaragua mit gefolterten Häftlingen gesprochen habe und dass er selbst immer wieder darüber nachdenke, ob er eine solche Folter durchstehen könne, ohne umzufallen. "Ihr seid in einer ähnlichen Situation", sagte Hahn daraufhin zu den Journalisten. "Und ich habe größten Respekt für eure Arbeit."

Kein Interesse an Veränderung

Hahn räumte zudem ein, dass die politischen Führer in den Balkanstaaten kein Interesse hätten, dass sich irgendetwas ändere, und dass sich positive Veränderungen und Freiheit nur mit dem Druck aus der Gesellschaft erreichen ließen. Hahn sagte, dass er immer in einer privilegierten Situation in Österreich gewesen sei, wo es Freiheit gebe. Er erinnerte aber auch daran, dass er als Wiener in der Nähe des Eisernen Vorhangs gelebt habe und dass ihn die Demokratisierung in Osteuropa, die im Jahr 1989 ihren Anfang nahm, geprägt habe. "Ich fühle mich verpflichtet, das zu Ende zu führen, was 1989 begonnen wurde", sagte er im Hinblick auf den Balkan. "Aber wir sind noch nicht dort."

Die kommenden zwei Jahre, in denen er noch Kommissar sein wird, sieht er als ein Zeitfenster, innerhalb dessen die EU-Integration der Balkanstaaten noch angekurbelt werden könne, unter anderem deshalb, weil die erweiterungsfreundlichen Staaten Österreich und Bulgarien den Ratsvorsitz übernähmen. Er betonte auch noch einmal, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jüngst eine Erweiterungsperspektive bis 2025 bestätigt hat. Es müssten allerdings nicht unbedingt jene Staaten sein, die bereits verhandeln (Montenegro und Serbien), die bis dahin beitreten könnten, so Hahn.

Mazedonien hofft auf Umdenken in Griechenland

Indirekt verwies er damit auf Mazedonien, das bereits im wirtschaftlichen Bereich und bei der Umsetzung des EU-Gemeinschaftsrechts viel gemacht hat. Hahn versucht nun auch die EU-Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass Mazedonien endlich mit den Verhandlungen beginnen darf. Anders als die anderen Balkanstaaten könnte Mazedonien – so wie Kroatien – längst in der EU sein, hätte nicht Griechenland wegen des Namensstreits fortwährend ein Veto eingelegt.

Alles hängt nun also von Athen ab. Das Zeitfenster ist in diesem Fall viel kleiner – denn in einem halben Jahr wird Griechenland in den Wahlkampfmodus eintreten, und dann geht gar nichts mehr. Mit einem Beginn der Verhandlungen rechnet nun auch Albanien, das bereits seit ein paar Jahren den Kandidatenstatus innehat. (Adelheid Wölfl aus Tirana, 10.11.2017)