Ein gestaffeltes System der Mehrwertsteuer für Lebensmittel kann wahrscheinlich die Zunahme starken Übergewichts stoppen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Hamburg im Auftrag mehrerer deutscher Gesundheitsorganisationen.

Berechnet wurden Ernährungsverhalten und Gewichtsentwicklung der Bevölkerung, wenn Obst und Gemüse gar nicht, ungesunde Lebensmittel aber höher als bisher besteuert werden. Ergebnis: Der Anteil stark übergewichtiger Menschen würde nicht weiter ansteigen, sondern sogar um zehn Prozent sinken.

"Die Studie zeigt, dass die Bürger durchaus mehr gesunde Lebensmittel kaufen wollen, bisher aber auch am Preis scheitern", sagte der deutsche Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München. Bisher gilt in Deutschland für die meisten Lebensmittel der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent, auch für ungesunde Produkte mit viel Fett und Zucker.

Besonders ungesund

Die Studie des Hamburger Ökonomen Tobias Effertz untersuchte als Alternative Szenarien mit verschiedenen Staffelungen. Am erfolgsversprechendsten und politisch realistischsten erweist sich dabei das System "Ampel Plus" mit folgenden Steuersätzen: Grün – Null Prozent: Obst und Gemüse; Gelb – Sieben Prozent: Lebensmittel wie Nudeln, Milch oder Fleisch; Rot – 19 Prozent: Produkte mit viel zugesetztem Zucker, Salz oder Fett wie Fertiggerichte, Chips oder Süßigkeiten.

Zusätzlich könnte der Steuersatz für die besonders gesundheitsschädlichen Softdrinks erhöht werden, betonten die Autoren (in Deutschland zum Beispiel von derzeit 19 auf 29 Prozent). Dieses Plus ist Hans Hauner zufolge notwendig, weil Softdrinks oft eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer Adipositas spielen – noch mehr als Süßigkeiten. Das gilt auch für Drinks mit Zuckerersatzstoffen. Fruchtsäfte ohne Zuckerzusatz würden hingegen in die Kategorie Gelb mit sieben Prozent Mehrwertsteuer fallen. In Österreich gilt für Lebensmittel zum überwiegenden Teil ein Umsatzsteuersatz von zehn Prozent.

Vorbild Kalifornien

Mehrere Länder haben bereits die Steuern für ungesunde Produkte erhöht. Mit Erfolg: So ist in Berkeley (US-Bundesstaat Kalifornien) der Absatz von Softdrinks um 21 Prozent zurückgegangen. Außerdem änderten Hersteller von Fertigprodukten nach Steueranpassungen häufig ihre Rezepturen und reduzierten Fett und Zucker. "Die Bürger bekommen also bessere Produkte zum gleichen Preis", sagte Hauner. Vor allem einkommensschwächere Gruppen profitieren davon. "Auch für Deutschland sind Steueranpassungen ein effektiver Weg, um die Bürger vor Adipositas zu schützen", meinte der Experte. In Österreich sind 15,6 Prozent der Männer und 13,2 Prozent der Frauen adipös. Für Deutschland wurde jetzt ein Anteil von Adipösen an der Gesamtbevölkerung von gar 25 Prozent angegeben.

Starkes Übergewicht bedeutet ein erhöhtes Risiko für viele Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Krebs. Trotz aller Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, den Anstieg der Adipositas zu stoppen oder gar umzukehren.

Notwendigkeit gegeben

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, die Rahmenbedingungen für gesundes Verhalten zu verbessern. Zu diesen Maßnahmen der Verhältnisprävention gehören Steueranpassungen, ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet sowie verbindliche Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen. Diese Forderungen vertritt in Deutschland ebenfalls die Deutsche Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), ein Zusammenschluss von 20 großen medizinischen Fachorganisationen. Die aktuelle Studie wurde von mehreren deutschen Adipositas- und Diabetes-Initiativen finanziert. (APA, 13.11.2017)