Mit einer von Wiener Wissenschaftern entwickelten neuen "Reinigungsflüssigkeit" für die Bauchfelldialyse dürfte bei Patienten mit Nierenversagen eine schonendere "Entgiftung" möglich sein. Das hat eine klinische Studie der Phase II in acht österreichischen Zentren ergeben. Der Erfinder der Methode, Christoph Aufricht von der Med-Uni Wien/AKH, und sein Team sind dabei, eine Zulassungsstudie zu entwerfen.

"Seit einem Forschungsaufenthalt an der Yale University beschäftige ich mich mit der Antwort von Zellen auf Stress. Diese Stressantwort ist wichtig für Reparaturmechanismen bei Schädigungen. Könnte man sie verbessern, wäre das eine Möglichkeit für neue therapeutische Interventionen", sagte Aufricht, Leiter der Klinischen Abteilung für Pädiatrische Nephrologie und Gastroenterologie an der Wiener Universitätsklinik für Kinderheilkunde und Gründer des Start-Up-Biotech-Unternehmens Zytoprotec.

Eine von drei Optionen

Als Nierenspezialist beschäftigt sich Aufricht seit ebenso vielen Jahren mit der sogenannten Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse; PD). Patienten mit endgültigem Nierenversagen haben drei Behandlungsoptionen: Nierentransplantation (mit Wartezeiten bis zur Verfügbarkeit eines passenden Spenderorgans), die Hämodialyse (dreimal pro Woche Fahrt ins Dialysezentrum). Dabei werden die sich im Blut ansammelnden Giftstoffe durch entsprechende Geräte ("Künstliche Niere") direkt aus dem Blut gefiltert.

Die dritte Möglichkeit ist die Bauchfelldialyse, die zu Hause durchgeführt werden kann und an sich weniger belastend als die Hämodialyse ist: Ein erwachsener Patient füllt dabei mehrmals am Tag eine Dialyseflüssigkeit über einen Katheter in den Bauchraum (insgesamt um die zehn Liter). Durch die Bauchfellmembran treten Flüssigkeit und Stoffwechselendprodukte durch den osmotischen Druck in die Dialyseflüssigkeit über und werden mit ihr wieder entfernt.

"Bei kleinen Kindern ist die Peritonealdialyse zu 90 Prozent die verwendete Methode. Allerdings werden international nur rund zehn Prozent der Patienten mit Nierenversagen per Peritonealdialyse versorgt", sagte Aufricht. Weltweit gibt es derzeit rund drei Millionen dialysepflichtige Patienten.

Neue Rezeptur

Während die Bauchfelldialyse vom Prinzip her auf jeden Fall weniger belastend als die Hämodialyse ist, existieren aber auch eindeutig Einschränkungen. Der Kinder-Nephrologe: "Die verwendeten Dialyseflüssigkeiten bestehen aus Kochsalzlösung, Laktat als Puffer, einem 'Hauch' von Kalzium und Magnesium und vor allem 1,5 bis vier Prozent Zucker. Das ist das 15- bis 40-fache der physiologischen Konzentration im Blut. Der Zucker führt zur Schädigung der Zellen des Bauchfells. Zellen werden herausgerissen, Entzündungen und Vernarbungen treten auf."

Das Ergebnis: Mit der Bauchfell-Dialyse ist ein Überleben oft nur zwei bis drei Jahre gewährleistet. In dieser Zeit sollte eine Transplantation erfolgen oder es muss auf die Hämodialyse gewechselt werden. Weniger als ein Viertel der Patienten sind nach zwei Jahren Peritonealdialyse noch stabil mit dieser Methode zu behandeln.

Etwa um 2001 zeigten Aufricht und seine Co-Autoren, dass die Dialyseflüssigkeiten bei der Bauchfelldialyse die Stressantwort der Zellen des Bauchfells reduzieren. Sogenannte Hitzeschockproteine (z. B. HSP-72) werden in einem zu geringen Ausmaß produziert. Das dämpft die Reparaturmechanismen und lässt die Bauchfell-Schäden verstärkt entstehen. Der nächste Gedanke war, ob man das durch eine verbesserte Dialyseflüssigkeit positiv beeinflussen könnte.

Plus Glutamin

"2007 erprobten wir, ob man eventuell zu der Dialyseflüssigkeit Glutamin hinzu geben könnte. Es ist jetzt das Dipeptid Alanyl-Glutamin für unsere Dialyseflüssigkeit PD-protec." In einem Liter sind 1,74 Gramm enthalten.

In umfangreichen Studien im Labor zeigte sich, dass das Alanyl-Glutamin die durch herkömmliche Dialyseflüssigkeiten gedämpfte Stressantwort von Zellen wieder aktiviert, sieben von zehn gemessenen, für Reparaturmechanismen wichtige Parametern sind erhöht. Im Tiermodell wurden Belege für einen schützenden Effekt auf das Bauchfell gesammelt – weniger Proteinverlust, weniger geschädigte Zellen, weniger Entzündung und weniger Vernarbung. Hinweise für einen positiven Effekt auf Laborwerte gab es auch aus einer ersten kleinen Studie der Phase I/II mit 20 Patienten.

Seit kurzem liegen die Daten aus einer doppelt-verblindeten Studie (weder behandelnde Ärzte noch Patienten wussten, welche Dialyseflüssigkeit verwendet wurde) in acht österreichischen Zentren vor. Aufricht sagte: "50 Patienten wurden per Zufallsentscheid einer von zwei Gruppen zugeteilt. Eine volle Analyse der Daten konnte bei 41 Patienten erfolgen."

Ergebnisse der Studie

Eine Hälfte der Kranken wurde zunächst acht Wochen lang mit einer herkömmlichen Dialyseflüssigkeit versorgt, dann erfolgte für weitere acht Wochen ein Wechsel auf "PD-protec". Bei der anderen Hälfte der Dialysepflichtigen verlief die Studie umgekehrt.

Laut den Ergebnissen kam es bei Verwendung von "PD-protec" zu einer Verbesserung der Funktion der Abwehrzellen in der Bauchhöhle durch eine erhöhte Produktion des Immunbotenstoffs Interleukin-6 in einem Immunkompetenz-Test. Das war bei 61 Prozent der Patienten der Fall und weist auf eine Verringerung des Infektionsrisikos hin. 68 Prozent der Kranken zeigten einen Anstieg der Sekretion des Labormarkers CA-125 durch die Bauchfell-Zellen, was auf eine Verbesserung der Dialysemembran des Bauchfells hinweist. "90 Prozent der Patienten profitierten von der neuen Dialyseflüssigkeit", sagte Aufricht. Als weitere positive Effekte waren zum Beispiel die Konzentrationen der Entzündungsmarker CRP und Interleukin-8 im Blut der Patienten bei Verwendung der neuen Dialyseflüssigkeit reduziert.

Fahrplan für die Zukunft

Gestützt auf diese Ergebnisse peilen Aufricht und sein Team jetzt eine Phase-III-Studie an, die für die Zulassung der Dialyseflüssigkeit durch die Arzneimittelbehörden entscheidend ist. "Wir wollen rund 300 Patienten aufnehmen und schließlich Daten von rund 260 Dialysepflichtigen (je 130 pro Gruppe) analysieren können. Es geht darum, zu beweisen, dass unter Verwendung von "PD-protec" nach zwei Jahren mehr Patienten stabil an der Bauchfelldialyse sind als unter Verwendung der herkömmlichen Dialyseflüssigkeiten."

Zu erwarten wäre bei dieser internationalen Studie, die in den USA und in Europa durchgeführt werden soll, dass etwas mehr als zehn Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren ein Spenderorgan erhalten. Abzuziehen wären wohl auch rund 20 Prozent der Patienten, die im Laufe eines solchen Zeitraums mit statistischer Wahrscheinlichkeit versterben. Könnte man das Ergebnis beim Anteil der Patienten, die weiterhin mit Peritonealdialyse versorgt werden, um 25 Prozent verbessern, wäre das ein großer Erfolg. "Bei den Dialyseflüssigkeiten hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten so gut wie nichts an Neuerungen getan", sagte Aufricht. (APA, 13.11.2017)

Zum Weiterlesen:

Neue Methode macht Dialyse leichte verträglich

Stiller Killer: Immer mehr Menschen droht Dialyse

Bauchfelldialyse: Wer profitiert, wer nicht