Berühmter Brocken: der Marsmeteorit ALH 84001.

Foto: Nasa

Elektronenmikroskopische Aufnahmen des Meteoriten brachten auffällige Strukturen ans Licht. Dass sie von Bakterien stammen, hat sich jedoch nicht bestätigt.

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Am 7. August 1996 passierte etwas, was nicht sehr oft vorkommt: Der damalige amerikanische Präsident Bill Clinton sprach in einer Pressekonferenz über eine wissenschaftliche Entdeckung. Eine Entdeckung, deren Auswirkungen, wie er sagte, "so weitreichend und so beeindruckend seien, wie man es sich nur vorstellen könne". Eine Entdeckung, die versprach, "einige unserer ältesten Fragen zu beantworten".

Es war die Arbeit von Wissenschaftern der US-Weltraumbehörde Nasa, die den Präsidenten zu diesen Worten veranlasst hatte: Der Astrobiologe David McKay und seine Kollegen hatten einen Meteoriten untersucht, der im Dezember 1984 in der Antarktis gefunden worden war. Solche Funde gibt es immer wieder, dieses Objekt aber war etwas Besonderes. Der Stein mit der Bezeichnung "ALH 84001" wurde 1993 als Meteorit vom Mars identifiziert. Und in der im August 1996 veröffentlichen Facharbeit von McKay und Kollegen wurde behauptet, in diesem Objekt Spuren fossiler Bakterien nachgewiesen zu haben.

Oder, anders gesagt: Die Wissenschafter waren der Meinung, der Welt den ersten konkreten Beweis für die Existenz von Leben außerhalb der Erde präsentieren zu können. Sie verkündeten, die Antwort auf eine Frage gefunden zu haben, die die Menschheit schon seit Jahrtausenden beschäftigt. Bei so einer Nachricht ist es kein Wunder, dass sich selbst der US-Präsident zu einem Statement genötigt sieht. Bill Clinton betonte in seiner Rede aber nicht nur die Tragweite einer solchen Entdeckung, sondern fügte auch noch hinzu: "Wie alle Entdeckungen soll und wird auch diese weiterhin begutachtet, untersucht und überprüft werden. Sie muss von anderen Wissenschaftern bestätigt werden."

Keine Bestätigung ...

Genau das ist auch passiert. Die Resultate waren aber nicht im Sinne von David McKay. Zehn Jahre nach der Entdeckung fasste er die Lage in einem Interview zusammen: "Wir haben es nicht geschafft, die wissenschaftliche Gemeinschaft zu überzeugen, und das ist ein wenig enttäuschend".

Die Strukturen, die McKay und seine Kollegen als fossile Bakterien gedeutet haben, waren viel kleiner, als es entsprechende Spuren von Bakterien auf der Erde sind. Und ob es "Nanobakterien" geben kann, die man für die Veränderungen im Gestein verantwortlich machen kann, ist bis heute umstritten. Die anderen von McKay angeführten Belege für die biologische Herkunft der Spuren in dem Meteoriten sind nach Meinung der Mehrheit seiner Kollegen ebenfalls nicht eindeutig und könnten auch durch nichtbiologische Prozesse erklärt werden.

Bis heute hat sich an diesem Befund nichts Wesentliches geändert. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass ALH 84001 nicht als Beleg für die Existenz von Leben auf dem Mars gedeutet werden kann. McKay und seine Kollegen haben sich geirrt, als sie diese Schlussfolgerung gezogen haben.

... kein Schaden

Irrtümer dieser Art sind in der Wissenschaft nicht selten. Gerade dann, wenn es um spektakuläre und potenziell revolutionäre Entdeckungen geht, neigen Menschen dazu, nicht ganz so sorgfältig zu sein, wie es eigentlich angebracht wäre. Es ist schwierig, dem "confirmation bias" (die Neigung, Dinge zu übersehen, die dem widersprechen, was wir uns wünschen, und überzubewerten, was unsere Vorstellungen bestätigt) zu widerstehen, wenn es um eine potenziell wirklich bedeutsame Entdeckung geht.

Übrigens gilt das nicht nur für die Forscherinnen und Forscher selbst, sondern auch für diejenigen, die deren Arbeiten überprüfen sollen. Gerade diejenigen wissenschaftlichen Fachzeitschriften, die sich damit rühmen, die "wichtigsten" Forschungsergebnisse zu publizieren, sind auch die, die die meisten Fachartikel wieder zurückziehen müssen, weil sie fehlerhaft sind (siehe "Retracted Science and the Retraction Index" von Chang et al, 2011).

Irrtümer wie der von McKay und seinen Kollegen sind aber auch nicht allzu tragisch. Sie haben niemanden betrogen, nichts gefälscht, erfunden oder plagiiert. Die von ihnen untersuchte Hypothese ist durchaus plausibel; wir wissen heute, dass die Bedingungen auf dem Mars früher durchaus so beschaffen gewesen waren, um Leben hervorbringen zu können. Es ist ebenso plausibel, dass dieses Leben fossile Spuren im Marsgestein hinterlässt.

Die Forschung geht weiter

Die Suche nach solchen Spuren gehört zu den wichtigsten Gründen, weswegen wir immer wieder Raumsonden zum Mars geschickt haben und in Zukunft weiterhin schicken werden. Es läge absolut im Rahmen des Möglichen, dass genau solche Spuren dort irgendwann gefunden werden – oder eben auch in Marsmeteoriten, die auf der Erde gelandet sind.

Nur: ALH 84001 enthielt nach allem, was wir bis jetzt wissen, eben keine solche Spuren. Der Irrtum von McKay und seinen Kollegen hatte aber trotzdem positive Auswirkungen. Die mediale Aufmerksamkeit, die diese Art der Forschung im Rahmen der medialen Berichterstattung erfahren hatte, hat auch der bis dahin eher vernachlässigten Disziplin der Astrobiologie deutlich mehr Interesse eingebracht als zuvor. Und das hat auch viele Wissenschafterinnen und Wissenschafter motiviert, sich mit der Suche und dem Nachweis von außerirdischem Leben zu beschäftigen.

Wenn es auf dem Mars irgendwann einmal Leben gegeben hat, dann werden wir das früher oder später herausfinden. Vielleicht wird es bis dahin noch den einen oder anderen Fehlschlag geben, vielleicht auch Irrtümer wie den von McKay. Aber ich bin überzeugt, dass wir am Ende eine Antwort finden werden. Die Frage nach der Existenz von Leben außerhalb der Erde fasziniert uns Menschen viel zu sehr, als dass wir sie trotz aller Fehlschläge einfach ruhen lassen könnten. (Florian Freistetter, 14.11.2017)