Ein mehrfach aufeinandergestapelter Buchstabe X: Das Deserteursdenkmal auf dem Ballhausplatz grenzt an den Burggarten an. Im Bild: die Einweihung im Jahr 2014.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

In der Ausgabe des STANDARD vom 9. November 2017 ist ein Beitrag von Frau Barbara Coudenhove-Kalergi über den Ballhausplatz und das dort errichtete Deserteursdenkmal erschienen, der mich als Wehrmachtsdeserteur und von der Republik Österreich anerkannten Widerstandskämpfer sehr empört.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, und die Meinungen über die Gestaltung des Denkmals sind sehr vielfältig. Wenn aber Frau Coudenhove-Kalergi die Errichtung des Denkmals als Werk "antifaschistischer Oberlehrer" und als "Fleißaufgabe in Antifaschismus" bezeichnet, so kann das nur als Beleidigung noch lebender Deserteure und jener antifaschistischen Kräfte, die sich für die Errichtung des Denkmals eingesetzt haben, verstanden werden.

Die Informationstafeln vor dem Denkmal mit Stellungnahmen Betroffener als "Schilderwald" abzuqualifizieren ist eine Verhöhnung der Opfer, an die dieses Mahnmal erinnern soll. Auch das Thema Deserteure und somit die Aufarbeitung eines Teiles der Geschichte Österreichs im Zweiten Weltkrieg nur als "Gegenstand einer Diplomarbeit im historischen Seminar" abzutun ist einfach unerträglich.

30.000 Ermordete

Das Denkmal auf dem Ballhausplatz ist nicht nur ein Denkmal für Deserteure, sondern ein Denkmal für alle Opfer der NS-Militärjustiz, also für jene Menschen erkämpft und errichtet worden, die unter Einsatz ihres Lebens auf verschiedene Art und Weise Widerstand gegen die Hitler-Armee geleistet haben und in den Wehrmachtsgefängnissen und Strafbataillonen elendig zugrunde gegangen sind – 30.000 Menschen wurden insgesamt ermordet.

Der Widerstand gegen das Nazi-Regime wurde als ein ganz wesentlicher Bestandteil der österreichischen Identität und Geschichte gewertet. Darauf wurde auch in der Moskauer Deklaration hingewiesen. Doch mehr als 60 Jahre lang wurden die Opfer der NS-Militärjustiz diskriminiert und sozialrechtlich benachteiligt. Das braune Lager wurde hofiert und Deserteure als Verräter und Kameradenmörder beschimpft. Ich habe mich daher viele Jahre im Rahmen des Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz dafür eingesetzt, dass Desertion aus der Hitler-Wehrmacht als Widerstand anerkannt wird.

Zu dieser Erkenntnis hat sich auch das offizielle Österreich nach vielen Jahren durchgerungen und die Rehabilitierung der Deserteure 2009 im Parlament beschlossen. Ja, und das war sehr wohl ein "zentrales Thema österreichischer Geschichte und Identität", werte Frau Coudenhove-Kalergi.

Das Denkmal wurde am 24. Oktober 2014 vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer in Anwesenheit von Bürgermeister Michael Häupl, vielen Regierungsmitgliedern, Landtagsabgeordneten, Vertretern des öffentlichen Lebens, vielen Bürgerinnen und Bürgern und mit großem Interesse der in- und ausländischen Presse eröffnet. Heinz Fischer stellte in seiner Eröffnungsrede fest: "Jeder soll wissen, dass es ehrenhaft ist, in der Auseinandersetzung mit einer brutalen und menschenverachtenden Diktatur seinem Gewissen zu folgen und auf der richtigen Seite zu stehen. Und dass die Armee Hitlers nicht unsere Armee war."

Die "Hauptattraktion auf dem wichtigsten Platz der Republik" – wie von Frau Coudenhove-Kalergi formuliert -, nämlich das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz, steht auf dem Platz, den es verdient, auch deshalb, weil sich das Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz jahrelang dafür eingesetzt hat und weil die Errichtung dieses Denkmals von vielen antifaschistischen Österreicherinnen und Österreichern, von Politikerinnen und Politikern, vielen Journalistinnen und Journalisten, von Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft und Religion unterstützt wurde.

Und, weil Deserteure keine Verräter waren, sondern zur Befreiung Österreichs einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Die Stadt Wien hat mit der Errichtung dieses Denkmals der Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur Rechnung getragen.

Denkanstoß und Mahnung

Durch den Rechtsruck nach den letzten Nationalratswahlen ist leider eine Situation entstanden, in der die Worte "Niemals vergessen" und "Wehret den Anfängen" wieder aktueller denn je sind. Das Denkmal auf dem Ballhausplatz soll vor allem jungen Menschen Denkanstoß und Mahnung sein. (Richard Wadani, 13.11.2017)