Der Altkanzler im Konflikt mit den moralischen Ansprüchen der Sozialdemokratie: Alfred Gusenbauer.

Foto: Heribert Corn

Wien – Nach außen hin hält die Solidarität. Kein böses Wort birgt die offizielle Erklärung, warum Alfred Gusenbauer nicht Präsident des Renner-Instituts bleiben soll. SPÖ-Chef Christian Kern habe angesichts des Wechsels vom Kanzleramt auf die Oppositionsbank fortan mehr Bedarf und Zeit, um sich um die Partei zu kümmern, heißt es. Da sei es nur stimmig, dass der Frontmann auch die Leitung der sozialdemokratischen Akademie übernimmt.

Es ist eine schonende Version, die Kerns Sprecher verbreiten – doch erzählt sie auch die ganze Wahrheit? So manchem Genossen fallen viele andere Gründe ein, warum Gusenbauer lieber gestern als heute gehen hätte sollen. Der jüngste Grund lässt sich aus den Paradise Papers herauslesen. In den Enthüllungen über Steueroasen taucht eine Gusenbauer-Connection auf – neue Nahrung für einen Vorwurf, der ihn seit seinem erzwungenen Abschied von der politischen Macht verfolgt: Der einstige Parteichef mache sich mit Akteuren und Aktivitäten gemein, an die aufrechte Sozialdemokraten nicht anstreifen sollten.

Keine Berührungsängste

Ein Blick ins Firmenbuch offenbart vielfältige Aktivitäten. Gusenbauer führt eine eigene Projektentwicklungs- und Beteiligungsfirma, sitzt in Vorständen von Privatstiftungen und in Aufsichtsräten von Konzernen. Berührungsängste zu SPÖ-fernen Unternehmern zeigt der 57-Jährige keine. So ist Gusenbauer Aufsichtsratsvorsitzender in der Signa-Gruppe des Immobilientycoons René Benko, der als Unterstützer von ÖVP-Chef Sebastian Kurz gilt. Die gleiche Funktion bekleidet er im Baukonzern Strabag des Neos-Mäzens Hans Peter Haselsteiner.

Doch die Nähe zum Großkapital allein hätte den Altkanzler wohl kaum so in Verruf gebracht, wie es eine andere seiner Geschäftsbeziehungen vermochte. Gusenbauer ließ sich vom kasachischen Diktator Nursultan Nasarbajew engagieren – und stellte dies als Dienst an der guten Sache da: Kasachstan sei "keine Westminsterdemokratie", doch Berater wie er hätten die Aufgabe, das Land bei der Demokratisierung zu unterstützen.

Im Sog von Silberstein

Ebenso wenig Verständnis brachte der Vielgescholtene für Kritik auf, die im jüngsten Wahlkampf aufkam. Gusenbauer stand nicht nur im Verdacht, seinem alten Freund Kern den skandalträchtigen Berater Tal Silberstein eingeredet zu haben (was er in einem "Falter"-Interview als "süße Übertreibung" abtat). Im Zuge der Verhaftung von Silberstein und dessen Geschäftspartner Beny Steinmetz in Israel wurden auch gemeinsame Unternehmungen zum Thema – und diese fanden auf Geschäftsfeldern statt, die nicht eben zu den am besten beleumundeten der Welt zählen.

Eine Causa spielt sich in Rumänien ab. Gusenbauer ist "non-executive director" des kanadischen Konzerns Gabriel Resources, der in Rosia Montana nach Gold schürfen will. Umweltschützer laufen gegen das Projekt Sturm, manchen gilt Gusenbauer als Lobbyist, der politische Widerstände aus dem Weg räumen solle. Dieser bestreitet derartige Aktivitäten, er fungiere nur als unabhängiger Aufsichtsrat – politisch motiviert seien vielmehr die Proteste. Weil Rumänien das Genehmigungsverfahren mittlerweile gestoppt hat, hat Gabriel den Staat auf mehr als vier Milliarden Dollar geklagt.

Das Glück auf Malta gesucht

Ein zweiter Fall führt nach Malta. Gusenbauer engagierte sich als "nicht geschäftsführender Direktor" beim Fonds Novia Gaming, der weltweit in Glücksspielaktivitäten investieren sollte. Eine angepeilte Kooperation mit den Casinos Austria endete in einem Rechtsstreit und einem Vergleich.

Es war die Novia, die Gusenbauer in Zusammenhang mit den "Paradise Papers" brachte – unfairerweise, wie er meint. Nie habe er einen Euro von der "mangels Geschäftsentwicklung" mittlerweile in der Liquidation befindlichen Novia erhalten, außerdem: Sowohl seine Beteiligungsfirma als auch er versteuerten Einnahmen ausschließlich in Österreich zum jeweiligen Höchststeuersatz.

Psychologische Rache

Werde Glücksspiel nicht legal organisiert, finde es illegal statt, hat Gusenbauer immer wieder argumentiert: Was daran unsozialdemokratisch sein soll, verstehe er ebenso wenig wie bei der Kritik an seinen anderen Aktivitäten.

Psychologisch ambitionierte Parteikollegen sehen hinter diesem Unverständnis jedoch ein tieferliegendes Motiv. Mit der Jagd nach dem großen Geld versuche sich Gusenbauer an den Genossen zu revanchieren, die ihm 2008 mit einem Aufstand einen unehrenhaften Abgang von der Partei- und Regierungsspitze bescherten, so die These – frei nach dem Motto: Seht her, ich brauche euch nicht! (Gerald John, 13.11.2017)