Der Berkely-Ökonom Gabriel Zucman hat versucht zu schätzen, was einzelnen Ländern durch agressive Steueroptimierung von Konzernen entgeht.

Grafik: STANDARD

Feuerwerk am Schloss Vaduz im Fürstentum Liechtenstein.

Foto: imago/Volker Preußer

Wien – Mark ist ein umtriebiger Berater. Wer ihn anruft, erreicht ihn einmal in Panama, dann in Hongkong, öfters in der Schweiz. Dass er Offshore-Finanzzentren bereist, ist kein Zufall. Sein Schwerpunkt ist das internationale Steuerrecht.

Wenn ein neues Regelwerk beschlossen wird, um Steuerhinterziehern das Leben schwerzumachen, stöbert Mark, der seinen vollen Namen in der Zeitung nicht lesen will, so lange herum, bis er ein Schlupfloch findet. Anschließend macht er sein Wissen zu Geld, bei Regierungen, internationalen Organisationen oder Unternehmen.

Sein großes Projekt ist derzeit der automatische Informationsaustausch. Im Rahmen der Industriestaatenorganisation OECD wurde eine globale Transparenzinitiative gestartet: Kreditinstitute müssen ausländische Kunden, also deren Kontostand, Namen und Zins- und Dividendeneinkünfte, an das Finanzministerium melden. Von dort werden die Daten an jene Finanzbehörde im Ausland weitergeleitet, die für den Kunden zuständig ist. 100 Staaten, auch Österreich, machen bei diesem automatischen Austausch ab 2018 mit.

Diskrete Stiftungen

Der Berater Mark hat eine Liste mit dutzenden Konstruktionen zusammengestellt. Mit diesen, so glaubt er, werden die neuen Transparenzregeln umgangen. Auf besagter Liste finden sich Modelle aus Dubai, aus Hongkong und eines aus Österreich bezüglich Stiftungen.

Im Zuge der globalen Transparenzinitiative ist vorgesehen, dass auch Konten von Stiftungen und Trusts gemeldet werden müssen, sowohl die Identität des Stifters als auch jene der Begünstigten müssen der Finanz bekanntgegeben werden.

Österreich hat mit Liechtenstein in der Amtszeit von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) separat ausverhandelt, wie der Info-Tausch erfolgen soll. Dabei wurde eine Ausnahme für Stiftungen festgelegt. Für sie gilt der Datenaustausch nicht wie für Privatpersonen. Bürger oder Organisationen aus Österreich, die in Liechtenstein eine Stiftung haben, können weiter anonym bleiben.

Für einige Stiftungen gilt dies nur, wenn sie bis zum 31. Dezember 2016 bereits bestanden haben. Intransparente Stiftungen profitieren aber sogar in Zukunft von der Anonymität. Intransparent bedeutet, dass Stifter und Begünstigte zumindest laut Gesetz in Liechtenstein keinen Einfluss auf die Vermögensverwaltung haben.

Stiftungen sind seit Jahren eine beliebte Form der Vermögensverwaltung in Liechtenstein, auch für viele Ausländer.

Das Besondere ist, dass die EU mit Liechtenstein ein Abkommen zum automatischen Informationsaustausch geschlossen hat, dieses ist bereits in Kraft. Während andere EU-Länder die Stiftungsinformationen aus dem Fürstentum ab 2018 bekommen werden, erhält sie Österreich nicht.

Votum gegen den Austausch

Was steckt dahinter, hat Österreich einen Vorteil durch die Sonderregel? Vom STANDARD kontaktierten Steuerberatern fällt nichts ein. Der Wiener Experte Helmut Moritz sagt, "dass die Lösung mit Liechtenstein den internationalen Entwicklungen widerspricht".

Das Thema beschäftigt inzwischen den Nationalrat. Die Neos haben soeben eine parlamentarische Anfrage eingebracht. Unter Federführung des Abgeordneten Josef Schellhorn wollen sie wissen, "mit welcher Begründung die Ausnahmen Liechtenstein eingeräumt wurden", zumal es ähnliche Sonderabsprachen in Bezug auf die Schweiz nicht gibt. Die Enthüllungen aus den Paradise Papers haben Öffentlichkeit und Politik bei dem Thema sensibilisiert.

Ob die Anonymität bestimmte Personen oder Organisationen in Österreich schützen soll, die in Liechtenstein veranlagt haben, darüber will Schellhorn nicht spekulieren. Es sei aber zu hinterfragen, warum SPÖ und ÖVP "in diesem Fall gegen den reibungslosen automatischen Informationsaustausch votiert haben".

Der Liechtenstein-Deal 2016 wurde tatsächlich im großkoalitionären Einklang beschlossen. Die SPÖ, angeführt von Klubchef Andreas Schieder, hat in den vergangenen Tagen in Sachen Steuertransparenz versucht, Druck auf die ÖVP aufzubauen. Warum hat die SPÖ die Regelung zu den Stiftungen aber damals mitgetragen?

Steuerabkommen mit Österreich

Wien hat mit Vaduz 2013 ein Abkommen zur Nachversteuerung von Schwarzgeldkonten im Nachbarland geschlossen. Steuersünder konnten dabei weiter anonym bleiben. Dazu mussten sie eine Einmalzahlung auf ihr Vermögen akzeptieren. Bei künftig anfallenden Kapitaleinkünften wurde festgelegt, dass die Banken in Liechtenstein die in Österreich fällige Steuer einbehalten und überweisen. Ohne eine Namensweitergabe. Dieses System wird in Bezug auf die Stiftungen weitergeführt.

Der SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sagt nun, dass die SPÖ damals die Informationen erhalten habe, dass der automatische Informationsaustausch für intransparente Stiftungen gar nicht gilt. Für Liechtenstein zuständige Steuerprüfer hätten das bestehende System zudem als effektiv beschrieben.

Bei der OECD in Paris widerspricht man dieser Darstellung allerdings deutlich: Der Durchblick ist für alle Stiftungen vorgeschrieben gewesen. Hätte Österreich also wie die anderen EU-Länder den vollen Austausch gewählt, hätte das Land aus Sicht der Pariser Organisation also Anspruch auf alle Daten. So argumentiert auch der Steuerexperte Mark. Österreichs Finanz lasse sich seiner Darstellung nach die Chance entgehen, hinter die Konstruktionen im Fürstentum zu blicken.

Im Finanzministerium in Wien hält man die Kritik generell für unbegründet. Ein aus Steuerprüfern beider Länder bestehender Ausschuss führe stichprobenartige Kontrollen durch, ob die Banken in Liechtenstein alle Abzüge richtig vornehmen. Bei der Abkehr von den anonymen Konstruktionen hätte man dieses Prüfrecht verloren, wird argumentiert.(András Szigetvari, 14.11.2017)