Die Biologin Barbara Fischer forscht zu Geburtsdilemmas beim Menschen.

Foto: Rafaela Pröll

Wenige Lebewesen tun sich bei der Geburt so schwer wie der Mensch. Ein Homo-sapiens-Kind kommt mit verhältnismäßig großem Kopf zur Welt, der zuvor einen meist sehr engen Geburtskanal passieren muss. Heute können Mütter mit zu schmalem Becken einen Kaiserschnitt vornehmen lassen, in früheren Generationen bedeutete das den sicheren Tod.

Dass die Evolution einen Vorgang mit so hoher Sterblichkeit nicht optimiert hat, verwunderte die Biologin Barbara Fischer vom Konrad-Lorenz-Institut (KLI) in Klosterneuburg. "Zwar löst die Natur manche Probleme eher auf notdürftig hingeschusterte Weise, aber gerade dann, wenn es dabei ums Überleben geht, wird das meist schnell korrigiert, weil die Gene nicht weitergegeben werden", sagt Fischer. Andere Primaten haben damit weniger zu kämpfen, weswegen man derzeit davon ausgeht, dass der Grund im stark veränderten Körperbau des Menschen zu finden ist: Durch die Anpassung an den aufrechten Gang wurde das Becken schmäler, erst später kam aufgrund der Weiterentwicklung des Gehirns ein immer größerer Kopf hinzu.

Die jüngste Hypothese, die Fischer mitentwickelt hat, liefert eine mögliche Erklärung, weshalb der Selektionsdruck nicht größer war: "Wir vermuten, dass sich die Evolution sehr schwertut, weil es um so viele Faktoren gleichzeitig geht." Sowohl die Beckendimensionen der Mutter als auch die Größe des Kindes hängen von ererbten Genen ab, ebenso spielt die Ernährung während der Schwangerschaft und in der Pubertät der Mutter eine Rolle: Durch Versorgungsengpässe kann das Becken am Wachsen gehindert werden.

Dies hat auch heutzutage Konsequenzen, drei bis sechs Prozent der Neugeborenen haben einen zu großen Kopf für das mütterliche Becken. In Ländern mit mangelhafter medizinischer Versorgung ist das für Mütter und Kinder noch immer lebensbedrohlich. In Industriestaaten erklärt das jedoch nur einen kleinen Teil der Kaiserschnittrate, die in Österreich bei rund 30 Prozent liegt. Durch die Anwendung von Kaiserschnitten zeigt sich bereits ein evolutionärer Effekt, wie Fischer und Kollegen berechneten: "Die Gene für schmälere Becken werden weitergegeben, dadurch geht die Anzahl der Frauen, die aufgrund dessen einen Kaiserschnitt brauchen werden, langsam aber kontinuierlich in die Höhe. Es gibt allerdings gegenläufige Effekte, etwa dadurch, dass Frühchen immer besser überleben können."

Für ihre Forschung wurde die 1981 geborene Barbara Fischer im vergangenen Monat mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet. In Oberösterreich aufgewachsen, zog es sie nach dem Studium der Biologie und Mathematik in Wien und einem einjährigen Intermezzo als Lehrerin in die Forschung. Auf ein Doktorat in Bern folgte eine Postdoc-Stelle in Oslo. Dort ließ sie das Thema des Geburtsdilemmas beim Menschen nicht mehr los, und so entwickelte sie das Konzept für die Arbeit, die sie ab 2015 mit einer Fellowship am KLI umsetzen konnte. In Zukunft möchte sie mit Ärzten kooperieren und aktuelle Patientinnendaten in ihre Forschung einbeziehen: "Es muss evolutionär einen Nachteil geben, ein sehr weites Becken zu haben, etwa für den Beckenboden. Das genauer zu verstehen ist meine Agenda für die nächsten Jahre." (Julia Sica, 19.11.2017)