Florian Teichtmeister (vorn, mit Michael König) als Karrierearzt.


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Wien – Zum verabredeten Gespräch erscheint Schauspieler Florian Teichtmeister strahlend. Am Josefstadt-Theater laufen die Endproben zu Arthur Schnitzlers Professor Bernhardi. Gegen einen jüdischen Klinikleiter wird aufgrund seiner antireligiösen Einstellung ein Kesseltreiben veranstaltet. Schnitzler bannte in seiner finsteren "Komödie" den Ungeist des Antisemitismus im "Wien um 1900". Aus dem Pulk der Ärzte sticht ein besonders zweifelhafter Karrierist hervor: Chirurg Ebenwald. Er ist Vizedirektor an jener Klinik, in der sich eine weiß bemäntelte Hetzmeute gegen den Institutsvorsteher formiert.

Teichtmeister spielt den Ebenwald. Als sein Gegenspieler Bernhardi tritt ihm ausgerechnet der Josefstadt-Direktor entgegen, Herbert Föttinger. Ebenwald führt sich in dem weitschweifigen Stück gleich zu Anfang mit einer antisemitischen Sottise ein. Weil Bernhardi bei der Klärung einer Fachfrage gegen ihn, Ebenwald, die Oberhand behalten hat, schießt der Unterlegene mit judenfeindlichem Geschütz: "Große Freude in Israel – wie?"

Was bedeutet Antisemitismus heute? Teichtmeister: "Der Judenhass ist nicht mehr salonfähig. Aber wenn er nützt, ist er noch immer rasch zur Hand." Der Karrierist Ebenwald deklariert sich im Verlauf des Stückes als ehemaliger Deutschnationaler: "Er ist also Burschenschafter, solange ihm das in die Karten spielt. Er ist es nicht mehr, sobald die einschlägige Laufbahn seine Karriere als Mediziner zu behindern droht." Diese Spielart des Opportunismus sei, sagt Teichtmeister, "das Gefährlichste überhaupt." Das Motto laute: So schnell, wie ich meine Überzeugung wechsle, kannst du gar nicht schauen.

Teichtmeister, dieser Pendler zwischen Burg- und Josefstadt-Theater, könnte den Teufel persönlich spielen, man würde ihn noch immer zum Schwiegersohn haben wollen. Figuren nähert er sich konsequent im Wege der Einfühlung an: "Ich habe versucht, den im Stück aufgezeigten Antisemitismus als Material zu verwenden, um ihn nicht geifernd vor mir hertragen zu müssen!"

Blick auf den Grund

Teichtmeisters Lächeln hat Methode. Dieser ein wenig bubenhafte Charmeur kann kein Wässerchen trüben. Sein eigentlicher Lebenssaft ist aber wohl die Galle der Melancholie: "Das Werben um Verständnis ist mir privat nicht fremd. Ich hege eine teils krankhafte Empathie, um die Beweggründe noch des niedrigsten Verbrechers zu verstehen." Er bekennt, seine Lebenshaltung sei es aktuell, am Rand zu stehen. Er gibt zu, er müsse eine Figur bis auf den Grund durchschauen. Teichtmeister benötigt diese Haltung als Arbeitsgrundlage. Er sagt: "Ich gebe niemanden verloren!"

Professor Bernhardi hat am Donnerstag im Wiener Josefstadt-Theater Premiere (Regie: Janusz Kica). Beiträge wie dieser können die Grundstimmung im Land kaum verändern. Wichtig seien sie trotzdem. Dass die FPÖ an der frechen Werbelinie des Josefstadt-Theaters kürzlich Anstoß genommen hat, verbucht der 38-Jährige schmunzelnd als "Werbemaßnahme: Man dankt!" Und: "Ein US-Wissenschafter hat festgestellt, dass die Bruchlinie in unserer Gesellschaft aktuell zwischen den 'Somewhere-' und den 'Everywhere-People' verläuft." Die einen seien relativ angstfrei, weil sie den ganzen Erdball als ihre Heimat betrachten würden. Die andere Spezies "klebt an der Scholle."

Teichtmeister springt augenzwinkernd auf. Er hat einer Gesellschaft von Freunden trotz Endproben eine Lesung von Hesse- und Rilke-Gedichten zugesagt. Er sagt: "Ich, als krankhaft empathiesüchtiger Mensch, sehe mich vor die Aufgabe gestellt, beide Seiten zu verstehen. Umso freundlicher behandle ich die Figur des Ebenwald." Er lächelt wiederum entwaffnend – und ist der bei Tür hinaus. (Ronald Pohl, 14.11.2017)