Zur Zeit des Kalten Krieges erzählte man sich in Russland folgenden Witz: "Gibt es Leben auf dem Mars? Nein, dort auch nicht." Dem kapitalistischen Kontrahenten aus Übersee blieb es vorbehalten, die Pointe naturwissenschaftlich zu untermauern: Die Viking-Mission der Amerikaner porträtierte den Mars in den 1970ern als kalten, trockenen und ausgesprochen unwirtlichen Planeten. Jüngere Untersuchungen bestätigen dieses Bild. Der Mars ist, wie Forscher der Universität Edinburgh im Juli herausgefunden haben, von einer antibakteriellen Schicht aus Perchlorat und Wasserstoffperoxid überzogen, die in Kombination mit der UV-Strahlung der Sonne wie ein potentes Desinfektionsmittel wirkt.

Tagesanbruch auf dem Mars. Er wird bald neuen Besuch erhalten – vorerst von Robotern.
Illu.: NASA/JPL-Caltech

"Da der Mars kein Magnetfeld besitzt, kann er sich nicht vor kosmischen Einflüssen abschirmen. Er wird permanent von Strahlung bombardiert", sagt der österreichische Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann. Der Rover Curiosity hat etwa gemessen, was auf der Marsoberfläche während einer Sonneneruption passiert. "Da wird es – radioaktiv gesehen – ziemlich heiß. Für Leben sieht es unter diesen Bedingungen schlecht aus."

Bessere Bedingungen

Das war nicht immer so. In Urzeiten war der Mars der Erde nicht unähnlich. Da gab es vermutlich Seen oder Meere, eine dichtere Atmosphäre und vielleicht auch nährstoffreiche Zonen, in denen sich einfache Lebensformen entwickeln konnten. Mit Betonung auf "vielleicht". Sollte es so gewesen sein, gäbe es jedenfalls die Möglichkeit, dass das Leben auf dem Roten Planeten Spuren hinterlassen hat. Nach solch chemischen Fossilien haben schon einige Missionen Ausschau gehalten. Bislang ohne Erfolg. Einen Beweis für extraterrestrisches Leben hat man nicht in der Hand.

Das könnte auch daran liegen, dass die bisher gelandeten Rover für diese große Aufgabe noch gar nicht gerüstet waren. Curiosity etwa, der seit 2012 rollende Roboter der Nasa, untersucht die Marsoberfläche vor allem in geologischer Hinsicht. Er soll herausfinden, ob der Planet einst lebensfreundlich war oder es in wenigen geschützten Regionen womöglich immer noch ist. Curiositys Möglichkeiten, Signaturen des Lebens direkt aufzuspüren, sind indes begrenzt.

Zwei Missionen, ein Ziel

Bei den nächsten Missionen zum Mars soll sich das ändern. Die europäische ExoMars-Mission wird im März 2021 auf dem Roten Planeten landen und einen Rover, ausgestattet mit einem Minilabor neuester Bauart, auf die Suche nach Lebensspuren schicken.

Der ExoMars-Rover soll 2021 landen.
Illu.: Esa

Ähnliches plant die Nasa: Ihre Mission Mars 2020 startet ungefähr zur gleichen Zeit, auch hier ist ein Touchdown mit einem mobilen Labor geplant. Im Detail gibt es freilich Unterschiede: Während die Amerikaner einen beweglichen Rover mit hochempfindlichen mineralogischen Analysewerkzeugen ins Rennen schicken, setzen die Esa-Forscher auf einen Rover mit geringem Aktionsradius, allerdings mit einem leistungsstarken Bohrer im Gepäck. Dieser soll Proben aus bis zu zwei Metern Tiefe entnehmen – und das könnte den entscheidenden Unterschied ausmachen. Denn wenn Leben auf diesem Planeten eine Chance hatte oder gar noch hat, dann am ehesten in unterirdischen Refugien, wo es vor tödlicher Strahlung geschützt ist und möglicherweise Zugang zu flüssigem Wasser besitzt.

Künstlerische Darstellung von Mars 2020.
Illu.: NASA/JPL-Caltech

Milliarden für den Mars

Bis es so weit ist, gibt es aber noch eine Menge zu tun. Die Generalprobe der Esa ging jedenfalls gehörig schief: Eigentlich hätte der Lander Schiaparelli im Oktober letzten Jahres per Fallschirm elegant zu Boden gleiten sollen. Doch Probleme mit dem Bordcomputer führten dazu, dass die Sonde abstürzte und mit 540 km/h auf der Oberfläche des Mars detonierte. Die Ursachen des Ausfalls habe man mittlerweile gründlich analysiert sowie die Fehler behoben, sagt Jorge Vago, wissenschaftlicher Leiter der Mission ExoMars. "Ich kann Ihnen zu 100 Prozent versichern, dass wir dieses Problem nicht wieder haben werden."

Dass Nasa und Esa bereit sind, Milliardenbeträge in neue Marsmissionen zu stecken, hat auch mit einem Umschwung der wissenschaftlichen Meinung zu tun. In den 90er-Jahren begannen Biologen zu verstehen, wie umfangreich und vielfältig das Reich der Mikroben auf der Erde ist: Da gibt es Einzeller, die sich bei 120 Grad Celsius munter teilen, solche, die extreme Salzkonzentrationen tolerieren, und solche (wie zum Beispiel das Bakterium Deinococcus radiodurans), die hohe Dosen radioaktiver Strahlung als Energiequelle nutzen. Selbst weniger robuste Einzeller vermögen widrige Umstände zu überdauern, indem sie sich in einen halb toten Ruhezustand begeben. Solche Sporen sind erstaunlich widerstandsfähig und können nach beinahe beliebig langen Zeiträumen wieder zum Leben erwachen.

Angst vor Kontamination

So ähnlich könnte es auch auf dem Mars sein: Dass sich den Forschern im Jahr 2021 blühende Bakterienrasen präsentieren werden, ist kaum anzunehmen. Ein spektakulärer Nachweis extraterrestrischen Lebens wird es wohl nicht werden. Wenn schon, dann werden die Rover im Erfolgsfall auf Leben im Tiefschlaf stoßen, auf Minimal-Ökosysteme, wie man sie etwa aus der Antarktis kennt. Das nährt Hoffnungen auf den großen wissenschaftlichen Coup, hat aber auch eine Schattenseite. Wenn nämlich Sporen Kälte, Strahlung und toxischen Bedingungen trotzen, dann könnten sie im Prinzip auch als blinde Passagiere auf Raumschiffen zum Mars reisen, diesen kolonisieren – und möglicherweise irreparable Schäden in den vorhandenen Ökosystemen anrichten. Das ist nach Ansicht von Fachleuten zwar unwahrscheinlich, gleichwohl nicht auszuschließen.

So geht denn in der Community der Astrobiologen ein Schreckgespenst um. Es heißt: biologische Kontamination. Die Vereinten Nationen wie auch der internationale Ausschuss für Weltraumforschung Cospar haben schon vor Jahrzehnten strenge Regeln zum Schutz potenziell interessanter Himmelskörper erlassen. So will man verhindern, dass die Suche nach fremden Lebensformen durch Verunreinigungen torpediert wird. Umgekehrt soll dadurch im Fall von Probenrückführungen sichergestellt werden, dass potenzielle extraterrestrische Organismen nicht in die irdische Biosphäre gelangen könnten.

Angst vor Verunreinigungen

Auf dem Mars sind insbesondere die "special regions" von den Vorsichtsmaßnahmen betroffen: Das sind jene Regionen, in denen relativ günstige klimatische Bedingungen herrschen und noch am ehesten mit Vorkommen von flüssigem Wasser zu rechnen ist. Dort darf so lange kein Raumschiff landen und kein Rover herumkurven, bis entsprechend hohe Standards der Sterilisierung entwickelt wurden.

Die Einschränkung gilt nach gegenwärtigem Stand der Dinge auch für ExoMars und Mars 2020. Dieser Umstand stößt in der Fachgemeinde auch auf Kritik. Unmut hat etwa kürzlich der spanische Astrobiologe Alberto Fairén im Fachblatt Astrobiology geäußert: "Die Milliarden Euro teuren Missionen", so Fairén, "dürfen überall auf dem Mars nach Leben suchen, nur dort nicht, wo wir es am ehesten erwarten." Der deutsche Planetenforscher Dirk Schulze-Makuch sieht das ähnlich. Er bezeichnete die gegenwärtige Lage gegenüber dem Journal Scientific American als "lächerlich".

Kontaminierte Kolonisten

Das gelte zumal, als die Nasa bereits in den 2030er-Jahren Astronauten zum Mars schicken will und private Investoren wie Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk von der Kolonisierung des Roten Planeten träumen. Bei solchen Missionen würden Kontaminationen nicht zu verhindern sein, schreibt Fairén. So drohe den Astrobiologen nach penibler, jahrzehntelanger Vorbereitung plötzlich die Zeit auszugehen: "Wir müssen suchen, bevor es zu spät ist."

Schulze-Makuch ist übrigens einer jener Forscher, die sich auch über die Urgeschichte des Roten Planeten Gedanken machen. Das Leben auf dem Mars könnte, so es existiert, durchaus älter sein als jenes auf der Erde. Denkbar wäre gar, dass die Urkeime des Lebens durch Asteroideneinschläge von einem Planeten zum anderen verfrachtet wurden. Schulze-Makuch hält den Austausch in beide Richtungen für möglich, gibt der Variante "Mars befruchtet Erde" aber nach Zusammenschau aller Wahrscheinlichkeiten den Vorzug. Eigentlich eine irritierende Vorstellung: Dann wären wir Erdenbürger Nachfahren der Marsianer. (Robert Czepel, 30.01.2018)