Alpiner Gospel und rhythmische Mantras: Paul Plut.

gerfried guggi

Wien – Auf den Berg möchte man mit ihm nicht. Denn Paul Plut schleppt sich schon beträchtlich. Zusätzlich schultert er einen Rucksack, der mit schweren Themen befüllt ist: das Leben mit besonderem Augenmerk auf den letzten Moment desselben. Doch vielleicht liegt es an den Bergen selbst. Denn dort, wo Paul Plut herkommt, ist das Tote Gebirge nicht weit. Ein ungastliches Stück Erde, kein Wunder, dass er sich ziert, nicht rauf will.

Dennoch spielt die Landschaft in seiner Musik eine Rolle. Mit "Lieder vom Tanzen und Sterben" veröffentlicht der 1988 geborene Steirer diese Woche sein Debütalbum als Solokünstler.

Tom Waits bei der Hüttengaudi

Zuvor war er mit der Formation Viech sowie der Band Marta auffällig geworden. Die eine produzierte Indie-Pop mit deutschen Texten, Marta gab als grimmige Zwei-Mann-Rockband ordentlich Gas und schuldete einen Gutteil ihrer Überzeugungskraft der Stimme des Paul Plut. So klingt einer, der seine Zukunft mit vollem Einsatz hinter sich gebracht hat.

Seine Stimme ist demnach das zentrale Instrument seines Solodebüts. Wobei sich der dem Blues geschuldete Expressionismus von Marta auf "Lieder vom Tanzen und Sterben" in ein erzählerisches Grummeln verwandelt hat: Leonard Cohen auf der Planai, Tom Waits als Stimmungskiller bei der Hüttengaudi, Portishead im Steilhang.

Plut singt "Vota".
Paul Plut

Plut knurrt seine Texte mehr, als er sie singt. Als säße er als Chronist beim Dorfwirten und beobachte das Treiben, werte es und richte. Das zeitigt in Stücken wie "Vota" oder "Wer" gehörig Wirkung, wenngleich ein bisserl Abwechslungsreichtum am Mikrofon dem Album gut anstünde, da sich die existenzielle Schwere in manchen Liedern schon ein wenig abnützt.

Gospel ohne Glauben

Der Dialekt des Schladmingers transportiert eine Sicht aufs Leben, die nicht gerade strandanimationstauglich ist. So schroff wie die Gegend ist, so grob behaut er seine Songs; das lässt zwischen den Zeilen Platz für die Atmosphäre.

Paul Pluts "Wer".
Paul Plut

Das Fundament seiner Lieder bilden rhythmische Mantras, die er nachjustiert und zart verändert. Dabei tritt eine Prägung zutage, die von einschlägigen Inspirationen stammt: Männern in Schwarz, rachitischen Bluesern, verwitterten Kunstleidern.

Sinnsuche im Hier und Jetzt

Man könnte Pluts Musik als Alpin-Gospel bezeichnen. Wobei Gospel afroamerikanischer Herkunft sich im Dienst einer frohen Botschaft versteht, das Prinzip Hoffnung hochhält, Erlösungsmusik ist. Pluts Gospel scheint hingegen keine Wendung zum Besseren zu erwarten, das Korsett des Katholizismus hat ihn fest im Griff, egal ob er vom Glauben längst abgefallen ist oder nicht.

"Grat" – Katholizismus am Berg.
Paul Plut

Die Texte kreisen um ihren Schöpfer und gehen dabei auf Sinnsuche im Hier und Jetzt. Nennen wir es atheistischen Gospel. Das ist immerhin eine nur halbfatalistische Sicht aufs Leben, denn wer nichts erhofft, wird nur selten enttäuscht. Gleichzeitig – das ist die gute Nachricht – offenbart sich in all dieser inszenierten Sonnenfinsternis eine Detailverliebtheit, die stellenweise sogar in einen richtigen Groove kippt.

Da geht noch mehr

Etwa am Ende des Songs "Klatsch" oder dem darauf folgenden "Erdn (Lagos)", dem einzigen Lied, dessen Titel sich nicht in einem Wort erschöpft. Auch das passt zur Musik. Plut hält seine Texte knapp, entsagt jeglicher Geschwätzigkeit.

"Lieder vom Tanzen und Sterben" birgt enormes Potenzial. Die Formel passt, die ersten Resultate stimmen, aber da geht noch mehr. Jede Wett’. (Karl Fluch, 16.11.2017)