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Wien – Die Nationalratswahl wurde auch auf Facebook gewonnen – oder verloren, wie im Fall der Grünen. "Kriegsentscheidend" war nicht, wer wie viele Fans hat, sondern wie viele User mit der Seite interagierten, zog der Social-Media-Experte Roland Trnik am Mittwochabend bei einer Diskussion Bilanz. "Die Zahl der Interaktionen hat den größten Einfluss auf den Facebook-Newsfeed und damit auf die Reichweite."

Dabei sei es egal, ob es sich um bezahlte oder organische Postings handle, so Trnik, Managing Partner der Wiener Social Media Agentur Spinnwerk, denn auch gesponserte Beiträge performen besser bei hohen Interaktionsraten und sind somit günstiger und werden öfters an die Facebook-Nutzer ausgespielt.

Was das im Nationalratswahlkampf bedeutet hat, zeigte die Dirty-Campaigning-Affäre um den Ex-SPÖ-Berater Tal Silberstein: Sie hat der SPÖ und Christian Kern genutzt und stark mobilisiert – zumindest bei den Interaktionen, ist Trnik überzeugt.

Es habe auf Silberstein kaum negative, aber viele positive Reactions auch abseits des klassischen "Gefällt mir"-Buttons gegeben. Das sei aussagekräftig, weil sogenannte Reactions im Gegensatz zu Kommentaren vom Administrator nicht gelöscht werden können.

Dass es für die Grünen von den drei kleineren Parteien am engsten werden würde, zeigte sich ebenfalls in Trniks Auswertung. Die Neos und die Liste Pilz waren den Grünen bei den Facebook-Interaktionen voraus. Das verwundere insofern, als die Grünen doch ein Jahr zuvor noch einen erfolgreichen Wahlkampf für Alexander Van der Bellen geführt hätten.

Keine Analyse von "Dark Posts"

Nicht analysieren können außenstehende Social-Media-Agenturen den Einsatz von sogenannten "Dark Posts", die auf der eigenen Facebook-Seite selbst nicht aufscheinen. Dafür brauche man Admin-Rechte. "Wie stark Dark Posts eingesetzt wurden, wissen nur die, die sie geschalten haben, wir nicht", erklärte Trnik im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins Digital Society.

Trnik lieferte auch eine Erklärung, warum Populisten auf Facebook immer sehr stark vertreten sind. In Deutschland habe die Aufregung über die AfD der Facebookseite der Partei viele Interaktionen gebracht. "Egal, wie ich interagiere, ich verhelfe dem Beitrag zu mehr Reichweite", so Trnik über den Facebook-Algorithmus, der polarisierende Meinungen begünstigt. Auffallend sei auch, dass sich "Wütend"-Reactions rechts der politischen Mitte finden, "Love"-Reactions eher links.

Was Trnik ebenfalls bemerkte ist, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz nach der Wahl erlaubte, Kommentare auf seiner Seite zu hinterlassen. Während des Wahlkampfes waren Postings auf Kurz' Facebooksseite – sogenannte Wall Posts- laut Trnik unterbunden.

Die These, dass Facebook-Nutzer in ihrer Filterblase feststeckten und nur mit einer Partei in Kontakt kommen, stimmte Trnik zufolge nicht für den Nationalratswahlkampf. Am ehesten treffe es noch auf die FPÖ-Fans zu, die hauptsächlich mit der Facebookseite von Heinz-Christian Strache und Boulevardmedien interagierten. Zwischen Grünen und SPÖ gab es hingegen bei den Interaktionen sehr viel Überschneidung. Und am umtriebigsten waren überhaupt Neos-Sympathisanten, die sich auf Facebook sowohl bei Grünen als auch FPÖ-Beiträgen einmischten.

Trnik räumte aber ein, dass Analysen von Social-Media-Aktivitäten keinesfalls repräsentativ sind, man wisse nicht sehr viel über die soziodemografischen Merkmale. "Richtig sexy wäre es, das mit derklassischen Meinungsforschung zu verknüpfen", meinte Trnik abschließend. (APA, 16.11.2017)