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Beziehung braucht Zeit. Schlechtes Gewissen ist wenig förderlich.

Foto: Getty Images Fotograf: AleksandarNakic

Der dänische Familientherapeut, Autor und STANDARD-Kolumnist Jesper Juul.

Foto: family Lab

Diese Serie entsteht in Kooperation mit Family Lab Österreich.

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Frage

Ich bin 31 Jahre alt und seit ein paar Monaten Vater von zwei Zwillingstöchtern. Ich lebe mit meiner Familie im Ausland, wo ich Vollzeit arbeite und meine Frau sich um die Kinder kümmert. Wir besitzen ein Ferienhaus am Meer, und meine Frau hat unlängst vorgeschlagen, dass sie mit den Kindern zwei Monate dort verbringen könnte. Die Kinder hätten dort Kontakt zu ihren Großmüttern, Tanten und anderen Familienmitgliedern. Für mich würde das allerdings bedeuten, dass ich noch weniger Zeit als jetzt mit ihnen verbringen kann.

Als Vater spreche ich mich daher vehement gegen diesen Plan aus. Als Partner möchte ich aber nicht derjenige sein, der seiner Frau etwas "verbietet". Deshalb meine Frage: Ist ein Urlaub am Meer wegen der gesundheitlichen Aspekte wichtiger als das Bonding, also die Eltern-Kind-Bindung, die in den ersten Lebensmonaten stattfindet? Was wäre die richtige Entscheidung im Interesse der Kinder?

Antwort

Ihre Gedanken und Bedenken sind durchaus von Bedeutung. Aber ich würde mir keine Sorgen über zwei Monate Abwesenheit machen, solange es Ihnen gelingt, Ihre Sehnsucht nach Ihren beiden Mädchen und deren Sehnsucht nach Ihnen wertzuschätzen. Ihre Töchter müssten etwa zehn bis zwölf Monate alt sein, dass sie Ihre Sehnsucht als Vater als solche erfahren.

Die einzige "Gefahr" für die gegenseitige Beziehung ist, wenn Sie versuchen sollten, Ihre Abwesenheit oder auch Ihr möglicherweise schlechtes Gewissen durch Geschenke zu kompensieren – oder auch Ihre Beziehung mit Ihrer Frau vernachlässigen. Laufen Sie also nicht Gefahr, ein besserer Vater als Ehemann sein zu wollen. Ihre Töchter haben den Vater, den sie eben haben. Sie werden lernen, mit ihrem Vater umzugehen, damit, welche Entscheidungen er trifft – für sich und seine Familie.

Vielleicht hilft Ihnen mein Buch "Mann und Vater sein" in diesen Fragen weiter. Unser Job als Eltern ist nicht sicherzustellen, dass unsere Kinder ununterbrochen glücklich sind, sondern dass sie mit ihren eigenen emotionalen Reaktionen vertraut werden – ohne dass sie dabei in Gut oder Böse unterteilt werden. Auf diese Weise helfen wir sowohl ihnen als auch uns selbst, gegenseitiges Vertrauen und ein gutes Selbstgefühl aufzubauen. (Jesper Juul, 19.11.2017)