Ankommen. Festhalten. Eine Sichtweise entwickeln, einen Standpunkt einnehmen. Eine Haltung. Sich selbst ein Bild machen. Zur Erinnerung. Wider das Vergessen. Wider das Entschwinden, wider das Verschwinden der Dinge, einzelner Menschen und Situationen. Ansatzlos. Als Momentaufnahme des Seins. Als Dokument der puren Existenz. Authentisch. Flüchtig, aber real. Anfällig. Verletzlich. Unkorrumpierbar. Ansehnlich. Unansehnlich. Einzigartig. Existent.

Filmische Transzendenz und gefrostete Zeit. Wim Wenders' zweites Foto mit der Polaroid SX70. Rissig, brüchig wie ein altes Ölgemälde, fragil wie das Leben selbst.
Aufschlagseite aus Wim Wenders fotografischer Autobiografie, fotografiert von Lukas Friesenbichler

Wim Wenders referiert seine Theorie über die "Abwesenheit von Spannung, die eine andere, 'wahrere' Art von Spannung" schüfe. Schlüsselelement dieser Hypothese ist "das leere Bild". Ausgangspunkt seiner Meditation ist das Auffinden einer Schachtel längst vergessener Polaroids aus der Anfangszeit als Filmschaffender.

Es ist kein Zufall, dass der große Philosoph und Geschichtenerzähler unter den deutschen Filmemachern sein neues Opus Peter Handke gewidmet hat. Die Story vom Finden der aus den 1960er- bis 1980er-Jahren datierenden Sofortbilder allein ergäbe schon ein Drehbuch nach Fasson des 1945 in Düsseldorf Geborenen.

Die Fotos selbst würden schon tausende Geschichten imaginieren. Bestechend aber ist, dass Wim Wenders entlang der Sofort Bilder auch deren Entstehung erzählt. Das in Leinen gehüllte Buch, gestaltet wie ein klassisches Fotoalbum, gerät, versehen mit Texten in Schreibmaschinenschrift zum Monument des Analogen – trotz der bekannten Mängel der Instant-Fotografie. Mit Cameos von Handke, Sam Fuller, Sam Shepard, Annie Leibovitz, Dennis Hopper, Bruno Ganz und vielen anderen. Großes Kopfkino. Kreative Prozesse in Zeitlupe. Einprägsam. (Gregor Auenhammer, Album, 20.11.2017)