Wie genau sich die Ehre bei jemandem zeigt, der als Erwachsener in kurzen Lederhosen umgeht und in Hirschgeweihe singt, ist eine Frage, die im Kontext von Andreas Gabalier gestellt wird.

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In Österreich herrscht traditionell hohe Achtung vor gesellschaftlichem Ansehen. Das bedingt eine gewisse Arschkriecherei als Alltagsfolklore sowie einen übertriebenen Zuspruch für den Begriff der Ehre. Gut, wir morden kaum dafür, aber es reicht schon, den Blick eines C-Promis zu erhaschen, um den sich selbst herabsetzenden Gruß "Habe d' Ehre" abzusondern. Derlei Buckelei mag angesichts einer stolz einherschreitenden Majestät opportun gewesen sein, heutzutage ringt man schwer, wollte man wenigstens ein angemessenes Beispiel nennen, das eine solche Krümmung rechtfertigte.

Die Ehre ist das Gegenteil der Schande. Spricht man jemandem das eine ab, rückt man ihn also in die Nähe des anderen. Zwar gäbe es ein Gratis-Gegenmittel zum vermeintlichen Gesichtsverlust, doch die Lockerheit ist halt leider nicht jedem gegeben.

Die Ehre ist eine Nachbarin des Stolzes. Für beides braucht es nicht viel, beides ist mit Vernunft nicht zu messen, beidem ist mit Vernunft nicht zu begegnen. Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist Andreas Gabalier.

Der sah seine Ehre verletzt, weil ihn der Chef des Wiener Konzerthauses nicht bei sich im Hause auftreten lassen würde. Gabalier empörte sich wutbürgerlich, dabei hätte er sich fragen können, warum das so ist, und vielleicht ein gutbürgerliches Gespräch suchen sollen.

Doch er zog es vor zu klagen: Seine Ehre und seine Kreditwürdigkeit seien in Gefahr, lautete seine Argumentation. Als kleiner Bausparer fragt man sich da natürlich, wieso der überhaupt einen Kredit braucht, wo er doch die größten Hallen füllt und abfüllt. Oder wie genau sich die Ehre bei jemandem zeigt, der als Erwachsener in kurzen Lederhosen umgeht und in Hirschgeweihe singt.

Zweimal wurde seine Klage abgewiesen. Anstatt als Prozessgewinner einen Purzelbaum zu schlagen, machte er bloß eine Opferrolle. Dass Kinder nun mit dem Finger auf ihn zeigen, um ihre Eltern auf ein Beispiel besonderer Ehrlosigkeit hinzuweisen, ist zwar unwahrscheinlich. Seine Würde ist aber auch nicht voller geworden. (Karl Fluch, 19.11.2017)