Günter Kreissl, der Geschäftsführer Sport, will in Graz die positive Energie dauernd befeuern und das Maximum erreichen.

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STANDARD: Die Situation bei Sturm ist eine recht ungewöhnliche. Franco Foda ist zwar Teamchef, macht aber die Herbstsaison in Graz noch fertig. Gab es eine Überlegung, dem österreichischen Fußballbund die Erlaubnis nicht zu erteilen, mit Foda zu verhandeln? Schließlich hat er ja einen Vertrag.

Kreissl: Es war immer klar, dass wir Fodas Karriereschritt aufgrund seiner Verdienste nicht verhindern wollen. Es hat nur ein K.o.-Kriterium gegeben. Hätte der ÖFB gesagt, es muss sofort oder gar nicht sein, hätten wir abgelehnt. Weil wir nicht die erforderliche Zeit bekommen hätten, uns um einen Nachfolger umzuschauen. Der 1. Jänner war die Bedingung, die wurde erfüllt.

STANDARD: Es wird über eine Ablöse von 400.000 Euro gemunkelt. Im Fall einer EM-Qualifikation wären es zusätzlich 200.000. Sie werden die Zahlen nicht bestätigen, oder?

Kreissl: Genau. Ich will und darf Vertragsinhalte nicht kommentieren. Es sind bei solchen Vereinbarungen immer Vertraulichkeitsklauseln eingebaut.

STANDARD: Wie ist der Stand bei der Trainersuche? Welches Anforderungsprofil soll der Neue erfüllen, es wird ja wohl keine Foda-Kopie sein?

Kreissl: Ich sage nur, welches Anforderungsprofil die Suche hat. Man muss es zu 100 Prozent vertraulich machen, darf nicht in der Öffentlichkeit plaudern. Das wäre hochgradig unseriös. Bei mir sind Anforderungsprofile nie zu eng gefasst. Weil ich erfahren habe, dass damit interessante Typen ausscheiden. Entscheidend ist, Qualität zu finden.

STANDARD: Gibt es ein Zeitfenster? Die Liga geht am 17. Dezember in die Pause. Soll der Trainer vor Weihnachten präsentiert werden?

Kreissl: Das ist das Ziel. Es kann aber schon früher sein, Dinge sind heutzutage nicht lange geheimzuhalten. Unser ganz klarer Plan ist, dass Foda den Herbst fertigmacht.

STANDARD: Auffallend ist Ihre gelungene Transferpolitik. Praktisch sämtliche Neuverpflichtungen haben sofort eingeschlagen. Alar, Huspek, Hierländer, Röcher oder Zulj sind nur ein paar Beispiele. Wie macht das der Kreissl?

Kreissl: In erster Linie ist es Arbeit. Du musst dich ausführlich mit den Spielern auseinandersetzen. Wichtig ist, über Jahre ein Gefühl für Charaktere zu entwickeln. Der Schlüssel ist: Welcher Charakter kann in einer gewissen Situation zu einem Verein passen?

STANDARD: Charaktereigenschaften, die absolut notwendig sind, um von Ihnen verpflichtet zu werden?

Kreissl: Teamfähigkeit, Leidenschaft, Einsatzbereitschaft. Ein Spieler muss Weiterentwicklungspotenzial erkennen lassen. Und er darf nicht satt sein, muss immer mehr wollen.

STANDARD: Sturm ist ein klassischer Traditionsklub, der Fußball wird immer mehr zum Geschäft, wahnwitzige Summen sind im Umlauf. Wie schafft man den Spagat?

Kreissl: Indem man versucht, das, was man an wirtschaftlichen Möglichkeiten gegenüber Mitkonkurrenten nicht hat, über positive Atmosphäre, soziale Stärke und über viel Arbeit wettzumachen. Ich bin auch ein Fußballromantiker. Mein Traum wäre es, über einen längeren Zeitraum mit einem guten Teil der Spieler zu arbeiten und nicht immer wieder eine neue Mannschaft bauen zu müssen.

STANDARD: Wie kann sich Sturm langfristig positionieren?

Kreissl: Erfolg im Fußball hat meist den Effekt, dass sich etwas hochschaukelt. Gute Leistungen bringen mehr Feedback, höhere Anerkennung, die Zuschauerzahlen steigen, Marketing und Sponsoring ziehen an. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir sind auf einem guten Weg. Man spürt die positive Stimmung im Verein. Diesen Prozess haben wir weiterentwickelt, massiv stabilisiert. Aber Fußball ist immer ein fragiles Gebilde. So schnell kann man gar nicht schauen, schon bricht irgendetwas weg. Fleiß und Ideen sind unabdingbar, wirken dagegen. Du musst die positive Energie dauernd befeuern.

STANDARD: Muss man das Kapital selbst entwickeln? Rapid hat Maximilian Wöber um rund acht Millionen Euro an Ajax verkauft. Sturms heißeste Aktie dürfte der erst 18-jährige Verteidiger Dario Maresic sein. Ist es Ziel oder gar Pflicht, im Idealfall jedes Jahr quasi einen Megatransfer zu tätigen?

Kreissl: Das ist nicht mein Ziel. Mich interessiert die sportliche Seite. Der Verein soll ohne größere Transfers funktionieren, sich auf hohem Niveau einpendeln. Ich bin Realist. Bekommt ein Spieler woanders das Fünffache, ist er weg. Das Entwicklungsmodell Sturm muss sein, über den Europacup und über Mehreinnahmen, die über die Bundesliga kommen, wie zum Beispiel TV-Verträge und Liga-Sponsoren, zusätzliche Gelder zu lukrieren. Dann kannst du vielleicht selbst einmal einen Megatransfer tätigen, dich auf die nächste Stufe heben.

STANDARD: Rapid gab einen Umsatz von 44 Millionen Euro und einen Gewinn von 2,3 Millionen bekannt. Man redet oft vom internationalen Gefälle, gibt es nicht auch ein nationales? Red Bull Salzburg ist ohnedies ein Sonderfall. Sind solche Summen für Sturm realistisch?

Kreissl: Diese Summen sind für Sturm überhaupt nicht realistisch, davon sind wir Lichtjahre entfernt. Ich betrachte diese Zahlen als Kompliment, wenn ich mir die Leistungen der Vereine in den vergangenen 18 Monaten anschaue. Wir haben ein Budget von 13 Millionen und einen Umsatz von 16. Erfolg ist eben nicht nur eine Frage von Millionen,

STANDARD: Die Bundesliga ist künftige nur mehr im Bezahlfernsehen zu sehen. Ein Tabubruch?

Kreissl: Ein heikles Thema. Fakt ist, dass der Trend in Europa Richtung Pay-TV geht. Das wird eben jetzt in Österreich gelebt. Ich würde mich auch über Free-TV freuen, beides geht nicht, das ist nichts Böses. Da hört die Romantik auf.

STANDARD: Am Sonntag steigt der Schlager bei Meister Salzburg. Trauen Sie Sturm den Sieg und in der Folge gar den Titel zu?

Kreissl: Ich definiere Ziele nie öffentlich. Haben wir fünf Europacupplätze, will Sturm einen, das ist das Minimum. Ansonsten wollen wir jedes Spiel gewinnen. Ja, wir wollen Salzburg schlagen. Man muss im Fußball Träume haben. Träumen darf jeder vom Maximum. Das verbiete ich niemandem, auch mir selbst nicht. (Christian Hackl, 18.11.2017)