Industrieunternehmen suchen nach Fachkräften – gute Lehrlinge sind schwer zu finden.

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Schon sechs Jahre lang bildet Christian Ebner Jugendliche zu Metalltechnikern aus. Wenn sie die Lehre nach dreieinhalb Jahren erfolgreich bei ihm abschließen, können sie Werkzeuge bauen, Maschinen reparieren oder etwa als Schlosser "bei uns im Haus arbeiten", sagt Ebner. Mit "uns" meint Ebner die Ekro Kronsteiner GmbH – das Unternehmen, für das er mit rund siebzig Mitarbeitern Gerüste für Kunden aufbaut und mit Baugeräten handelt.

Seinen Firmensitz hat Ekro in der rund 5200 Einwohner großen Marktgemeinde Krieglach in der Steiermark. Dieses Jahr sind dort "zwei fleißige Burschen" zu Metalltechnikern ausgebildet worden, "heuer hatten wir Glück", erzählt Ebner stolz. Denn Ebner ist anderes gewohnt.

Kleine Unternehmen vs. Riesenkonzerne

Seit Jahren leidet das Unternehmen unter einem chronischen Lehrlingsmangel. Wenige Autominuten weiter befindet sich ein Standort des internationalen Technologiekonzerns Voestalpine, der für potenzielle Lehrlinge aufgrund seiner Größe und Bekanntheit attraktiver ist, als kleine Unternehmen wie Ekro. Trotz dieser zusätzlichen Hürde steht das Unternehmen mit dem Lehrlingsmangel nicht alleine da.

Denn "den gibt es überall", sagt Alfred Freundlinger, Leiter für Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Laut Zahlen der WKO schneide die Steiermark mit ihren insgesamt 4.730 Lehrlingen im Vergleich zu den anderen Ländern zwar gut ab, allerdings sei der Bedarf an Fachkräften dort höher als etwa in Wien, weil die Steiermark mehr Industrieunternehmen hat als andere Bundesländer. Und obwohl fast die Hälfte aller Lehrlinge eine technische Ausbildung macht, sei es gerade in diesem Bereich besonders schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden.

Wenig Jugendliche, mehr Bildung

Für Freundlinger ist der wesentliche Grund für den Lehrlingsmangel die demografische Entwicklung in der Steiermark gepaart mit einem Trend zur höheren Bildung: "Zu einer Zeit, in der die Zahl der Jugendlichen zurückgegangen ist, haben die Allgemeinen und Berufsbildenden Höheren Schulen an Zulauf gewonnen". Entsprechend weniger Jugendliche blieben somit für die Mittelschulen und die Lehre über. In ländlichen Regionen würden Kleinigkeiten wie etwa ein schlecht entwickelter öffentlicher Regionalverkehr dazukommen.

Aus diesen Gründen hat die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) vor neun Jahren die sogenannte "TakeTech" Initiative ins Leben gerufen. Sie soll Unternehmen helfen, Lehrlinge im eigenen Betrieb zu rekrutieren. Jedes Jahr im Herbst organisiert sie dafür Betriebsführungen für 13- und 14-jährige Schüler in der Steiermark und gibt ihnen so die Möglichkeit, in die Unternehmen ihrer Umgebung hineinzuschnuppern.

100 Unternehmen, 90 Schulen

Im ersten Jahr hatten rund 80 Unternehmen bei der TakeTech Initiative mitgemacht, heuer sind es schon über 100 und "jedes Jahr bekommen wir mehr Zuspruch" sagt die Pressesprecherin der Initiative, Sigrid Gaisch-Faustmann. Alle Unternehmen, die dieses Jahr rund 3600 Schüler durch ihren Betrieb führen werden, ringen um qualifizierte Fachkräfte. Das Unternehmen Ekro stellt sich dieses Jahr zum zweiten Mal den steirischen Schülern in einer dreistündigen Betriebstour vor – mit der Hoffnung, dass danach vielleicht mehr Bewerbungen eingehen als davor.

Buttons selbst machen

Deswegen soll die Betriebstour nicht nur informieren, sondern auch Spaß machen und interaktiv sein. Gleich zu Beginn der Führung bekommen die Schüler eine praktische Aufgabe: Jeder muss seinen eigenen Button mit dem Vornamen auf der "Buttonmaschine" herstellen. Geschäftsführer Martin Rinnhofer spricht anschließend über die Geschichte des Unternehmens, darüber welche Produkte Ekro herstellt und vor allem wie sie hergestellt werden.

Nach der Präsentation werden die Schüler durch den Betrieb geführt, sie schauen sich das technische Büro an, die Verkaufsabteilungen, die Produktionsabteilungen, die Lackiererei und die Lehrlingsausbildungsstätte. Dazwischen gibt es Pause mit Jause. Zum Schluss wird den Schülern ein sogenannter 3D-Plan in die Hand gedrückt, aus dem sie ein kleines Gerüst aufbauen sollen.

"Die Lehre braucht eine Aufwertung"

Mit der spielerischen Betriebstour könne man zwar nicht alle Jugendlichen erreichen oder gar begeistern, sagt die Personalverantwortliche Elisa Koval, aber letztes Jahr seien tatsächlich einige Bewerbungen von den Schulen eingegangen, die zuvor auch an der Tour teilgenommen hatten. Trotzdem: Laut der Personalchefin reicht das noch nicht aus. "Die Lehre benötigt unbedingt eine Aufwertung in der Gesellschaft", sagt sie, "denn es herrscht noch immer dieses Vorurteil, dass die Lehre nur für die Schüler übrig bleibt, die nicht das Zeug für die Schule haben. Das ist aber Schwachsinn. Wir brauchen auch gute Facharbeiter in unserem Betrieb."

Auch Ebner hat oft erlebt, dass die Lehrlinge den theoretischen Teil der Ausbildung unterschätzen. Viele, die zu ihm kommen "glauben, dass man nichts lernen muss, wenn man eine Lehre macht". Das Feilen in der Lehrwerkstätte, das Schweißen und Drehen – das mache ihnen Spaß, wenn es aber darum gehe, für die Berufsschule zu lernen, würden viele unmotiviert oder "lassen sich von anderen Lehrlingen mitreißen, die nichts tun", wie Ebner sagt. Es sei eine politische Aufgabe, dass "auch Facharbeiter ein höheres Ansehen haben, nicht nur die Studenten".

Aufklärungskampagnen als Hoffnungsträger

Freundlinger von der WKO sieht das ähnlich: "Es ist in unserer Gesellschaft bei den Eltern nicht akzeptiert, dass ihre Kinder früh ins Berufsleben einsteigen. Man hat die Kinder lieber länger behütet." Trotzdem habe sich das Image der Lehre durch österreichweite Kampagnen wieder verbessert. In Zukunft werde es darum gehen, für Aufklärung unter den Jugendlichen zu sorgen, vor allem was die Einstiegsgehälter und Karrieremöglichkeiten einer Lehre betrifft. Denn mittlerweile verdiene man in vielen Fällen mit einer abgeschlossenen Lehre mehr, als mit einem Studienabschluss. Zudem sei die Sicherheit einen Job nach einer Lehre zu finden in Einzelfällen sogar höher als mit Bachelor oder Master. (Marija Barišić, 20.11.2017)