Die Zahl der Wählerstimmen, die die Neos für sich verbuchen konnten, ist nur gering gestiegen. Ihre Bedeutung im Parlament hat sich trotzdem vervielfacht. Die Pinken sind plötzlich wichtig geworden. Sie dürfen als Beschaffer einer türkis-blauen Zweidrittelmehrheit bei den Großen mitspielen. Sie wollten Tempo machen, müssen aber eher vom Gas runtersteigen, wenn es ihnen wirklich um Reformen und nicht bloß um Überschriften geht.

Zünglein an der Waage

So sehr sie sich über die Aufwertung freuen dürfen, das ist ihnen nicht aus eigener Kraft gelungen. Gemessen an ihren zehn Mandaten bleiben sie ein politisches Fliegengewicht. Dass sie das Zünglein an der Waage sind, haben sie der Stärke der anderen, nämlich jener der ÖVP und FPÖ, zu verdanken. Durch den Wegfall der Grünen bekommen sie als Korrektiv mehr Gewicht, die deutlich größere Oppositionspartei werden aber die Sozialdemokraten sein. Anders als die Roten haben die Neos den Vorteil, die Rolle zu kennen – und zu können.

Aufwind und Aufmerksamkeit erhalten sie durch die Schnittmengen mit der potenziellen neuen Regierung. Ausgerechnet Matthias Strolz, der darauf gepocht hatte, keinesfalls eine Koalition mit den Freiheitlichen bilden zu wollen, hat es nun in der Hand, blaue Politik mitzugestalten. Doch bei zu viel Ehrgeiz, freiheitlichen Themen einen pinken Touch zu verleihen, können sie sich auch die Flügel verbrennen. Etwa bei der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft für Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Das ist den Neos ein wichtiges Anliegen, der Preis der Freiheitlichen lautet allerdings, das Volk abstimmen zu lassen. Ein so weitschichtiges Thema, das schwer erkämpfte Rechte der Arbeitnehmer betrifft, dem Populismus hinzugeben, könnte der Kleinpartei mehr schaden als nützen. In der Vergangenheit wurde selten ein parlamentarischer Beschluss dank der mehrheitsbringenden Stimmen gefeiert, sondern wegen der Stimmen der Mehrheitsbeschaffer verrissen.

Kein Teil einer Allianz

Ähnliches gilt bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungen. Die Neos haben recht, hier braucht es Reformen. Doch welchen Effekt erwarten sie für die Versicherten, wenn es bloß darum geht, Krankenkassen zu fusionieren? Werden dann Wahlarztrechnungen schneller bearbeitet? Eine Fusion kostet zunächst einmal viel Geld, bevor sie sich rechnet. Und auch dafür muss ein Prozess vorgegeben sein, die Reform darf kein Selbstzweck sein.

Um politisch ernst genommen zu werden, dürfen sich die Neos auf keine krummen politischen Deals einlassen. Gerade bei Sicherheitspolitik, wo sich Türkis und Blau gerne in Ankündigungen übertrumpfen, müssen die Neos beweisen, nicht Teil dieser Allianz zu sein. Sie müssen Grundrechte einmahnen und den türkis-blauen Kontrollehrgeiz bremsen. Das können sie nicht allein bewirken, dazu müssen sie auch mit der SPÖ mitschwingen, um gemeinsam ein Verfassungsgesetz blockieren.

Auch eine Ebene darunter warten Hürden: Vier Landtagswahlen stehen an, das sind Länder, in denen die Neos kaum bekannt sind. In Niederösterreich, Tirol und Salzburg wollen sie jedenfalls antreten, Kärnten ist offen. Die Neos könnten zwar vom grünen Zerfallsprozess profitieren, das Risiko ist aber groß. Gleichzeitig in drei oder vier Wahlen als Underdog um den Einzug in die verschiedenen Landtage zu zittern ist ein kaum bewältigbares Wagnis und bringt möglicherweise mehr Frustration als Bestätigung. (Marie-Theres Egyed, 20.11.2017)