Spätabends gibt's im einstigen Transporter immer noch Party bis in die Puppen. Neu sind die kreativen Pizzen davor.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Neben ein paar traditionskonformen Klassikern wie Margherita, Capricciosa und Quattro Formaggi gibt es Kreativvarianten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Irgendwann will sich der aus Kreuzberg gebürtige Koch Niko Kölbl ganz beschaulich auf einem Bauernhof einrichten, die Sonne auf den trainierten Bauch scheinen lassen und Schnäpse ansetzen. Das kann er nämlich, wie die finessenreiche Sammlung selbstaromatisierter Wodkas (Kren! Kakao!!) zeigt, die in der Pizzeria Randale hinter der Budel lauern.

Damit sich das alles ausgeht, muss aber noch ordentlich geschafft werden. Die Pizzeria ist das fünfte Lokal des jungen Kochs mit der preußischen Arbeitsethik und den branchenüblich tätowierten Unterarmen. Vor sechs Jahren war er mit einiger Edelküchenerfahrung nach Wien gekommen, um die Weinschenke in der nahen Franzensgasse für ein paar Monate zu einem Wirtshaus der ganz raren, beglückenden Art hochzukochen. Dann übernahm er sie und funktionierte sie zur Burgerbude um. Geld zu verdienen und tolles Essen zu fabrizieren, sind oft verschiedene Paar Schuhe.

Transporter wird zur Pizzeria

Die Burger, gut und überraschend garniert, kamen genau zum richtigen Zeitpunkt. Rasch folgten Filialen am Siebensternplatz und Karmelitermarkt. Vergangenen Sommer kam der Bunte Hund in der Praterstraße mit extravagant belegten Toasts und Sharon Alaev im Hintergrund, dessen Cousin Gabriel das nahe Ramasuri innehat. Ging ebenfalls durch die Decke, weshalb jetzt schon die nächste Hütte aufgemacht werden konnte.

Das frühere Transporter an der Ecke Margaretenstraße/Kettenbrückengasse wurde zur Pizzeria umfunktioniert, mit imposantem Gasofen (offenbar dem einzigen von der Associazione Verace Pizza Napoletana zugelassenen, nicht mit Holz befeuerten Modell), dem in Wien viel herumgekommenen Pizzaiolo Carmine Cilento aus Neapel und einer Soundanlage, die nach Küchenschluss wechselnden DJs überantwortet wird – die ditschentaugliche Schalldämpfung des Vorgängerlokals soll nämlich weiterhin geprüft werden.

Dazu passt das Logo des Lokals: die Zeichnung eines Mannes mit Peter-Rapp-Bart und Sonnenbrillen, der sein T-Shirt hochzieht und einen mit "Randale" tätowierten Schmerbauch samt imponierendem Brustspeck freigibt. Es ist einem Albumcover des Elektronikavantgardisten Fred Rapid entwendet. Bleibt aber eh alles in der Familie: Rapid ist der prospektive Schwager Nikolai Kölbls. Randale ist demnach ein in Berlin positiv besetzter Begriff, vergleichbar mit dem, was junge Wiener unter "Vollgas" verstehen. Passt zum Pizzaofen, passt.

Insalata "Crazy"

Die Zusammenarbeit zwischen Berliner Kreativkoch und neapolitanischem Traditionspizzaiolo barg Konfliktpotenzial. Die Differenzen dürften auf fruchtbare Weise ausdiskutiert worden sein: Neben ein paar traditionskonformen Klassikern wie Margherita, Capricciosa oder Quattro Formaggi gibt es nämlich Pizza mit Blunze und Apfel ("Wiener Blut", geht sich deutlich besser aus, als sie klingt), mit Zwiebelcreme, Tunfisch, Bonito-Flocken und Mozzarella ("Nostromo", lohnt sich sehr) oder mit Salzwassergarnelen und zweierlei mexikanisch geräucherten Chilis auf einer Margherita-Basis ("Gamberetto", scharf, extrem gut) und ein paar andere Kreativvarianten mehr.

Die Vorspeisen können auch etwas: Salat mit im Ganzen gebackener Thai-Melanzani, Petersilie, roter Zwiebel, bengalischem Pfeffer und einem hoch animierenden Dressing zum Beispiel, oder "Italian Burmese Salat" mit hauchdünn geschnittener Amalfi-Zitrone, mariniertem Kraut, fermentiertem Grüntee, geröstetem Buchweizen, eingelegten Paradeisern, roter Zwiebel und Dille. Der schmeckt exakt so unbekümmert komponiert, wie er sich anhört, und hat entsprechendes Suchtpotenzial. (Severin Corti, RONDO, 24.11.2017)

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