Bild nicht mehr verfügbar.

Das Amsterdamer Geschäftsviertel: Für 250 Mio. Euro soll dort ein neues EMA-Gebäude entstehen.

Foto: AP Photo/Peter Dejong

Die Entscheidung gegen Österreich fiel klar und deutlich aus: Gleich in der ersten Abstimmungsrunde fiel Wien krachend durch. Der EU-Ministerrat hat in seiner Brexit-Sonderformation (also alle EU-Mitglieder minus Großbritannien) die EU-Arzneimittelagentur EMA nach Amsterdam und die EU-Bankenaufsicht EBA nach Paris vergeben. Österreich erhielt für seine – zumindest im Inland mit viel Getöse begleitete – Bewerbung um die EMA etwa ganze vier Stimmen. Angesichts der Tatsache, dass jeder Staat sechs Stimmen vergeben konnte (3-2-1, je nach Präferenz), eine mehr als krachende Niederlage. Am Boden der Realität angekommen muss man nun fragen, wie es zu dieser offensichtlichen Fehleinschätzung der österreichischen Regierung kam.

Als im Februar an dieser Stelle Bedenken gegen die Art und Weise, wie man sich um die beiden Agenturen bewirbt, geäußert wurden (Fokus London: Wien will Teil des Brexit-Kuchens, 23. Februar), gab es unwillige und herablassende Reaktionen. Bis heute ist etwa nicht bekannt, warum es die österreichische Bundesregierung für nötig erachtet hat, in dieser Angelegenheit einen "externen Berater" zu engagieren. Die damit verbundenen Kosten blieben und bleiben im Dunkeln. Wiederholtes Nachfragen im Bundeskanzleramt wurde abgeblockt. Man möge halt nicht so kleinlich sein, angesichts der Größe des Vorhabens. Nun, nach dem Vorliegen der Brüsseler Entscheidung, stellt sich diese Frage jedoch noch dringender. Wie viel hat die gescheiterte Bewerbung um die beiden EU-Agenturen gekostet?

Kurz zeigt kein gesteigertes Interesse

Was zu Jahresanfang noch als akkordiertes Gesamtvorhaben von Sozialpartnern, Bundesregierung und Stadt Wien begann, zeigte frühzeitig erste Absetzbewegungen. Mit fortschreitender Bewerbung gewann man den Eindruck, dass sich das eigentlich zuständige Außenministerium immer mehr zurückzog. Über die Vergabe und Neuansiedlung von EU-Agenturen entscheidet der EU-Ministerrat in der Formation "Allgemeine Angelegenheiten". Dafür zuständig war und ist der Außenminister. Bekanntlich zeigt Sebastian Kurz jedoch kein gesteigertes Interesse an einer Teilnahme in dieser wichtigsten Ministerratsformation. Schon im Vorjahr war er nur zu 22 Prozent anwesend, und als es in die Zielgerade der Vergabe der beiden Agenturen ging, machte er wiederum das, was er immer tut: Er fuhr nicht hin.

Schon im Oktober gab es eine "politische Aussprache" zu den künftigen neuen Standorten für EMA und EBA. Österreichs Bundesregierung glänzte dabei mit Abwesenheit. Statt regelkonform einen Minister oder Staatssekretär zu schicken, war Wien nur auf Beamtenebene vertreten. Das ließ schon mal nichts Gutes für die eigentliche Entscheidung erwarten. Und so kam es auch. Am 20. November erschien zur entscheidenden Abstimmung statt Sebastian Kurz Finanzminister Hans Jörg Schelling. Erstmals im EU-Rat Allgemeine Angelegenheiten musste er miterleben, wie selbsternannte Favoriten auf dem glatten Brüsseler Parkett umgehend auf der Nase landen. Das sollte ihm übrigens auch Gedanken machen hinsichtlich seiner eigenen Bestrebungen, Anfang Dezember zum neuen "Mister Euro" gekürt zu werden.

Österreich hat es ganz offensichtlich verabsäumt, die für einen Erfolg nötigen Allianzen zu schaffen und Absprachen mit anderen EU-Mitgliedstaaten zu treffen. Man ist der eigenen Selbstbeweihräucherung in den heimischen Medien erlegen und hat seiner eigenen PR-Maschinerie mehr geglaubt als internationalen Einschätzungen. Das vor einigen Wochen in österreichischen Medien lancierte Gerücht, wonach Österreich einen Agentur-Standort quasi sicher in der Tasche habe, weil man "in Brüssel" die kommende neue türkis-blaue Bundesregierung EU-freundlich stimmen wolle, wurde offensichtlich für bare Münze gehalten. Das sagt eigentlich schon alles aus über den Zustand der österreichischen Diplomatie: Man glaubt, was in den eigenen Zeitungen steht. (Stefan Brocza, 21.11.2017)