Hongkong lockt Anleger aus aller Welt mit seinem Pensionsmodell: Finanzdienstleister machen aus Ausländern Betriebspensionisten. Der Vorteil: totale Diskretion.

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Wien/Paris – Wohlhabenden Bürgern aus aller Welt, die Steuern sparen wollen, macht der Finanzdienstleister Legacy Trust folgendes Angebot: Werden Sie Pensionist in Hongkong. Die Metropole erlaubt es jedem Ausländer, für eine Betriebspension anzusparen. Dazu muss man nicht umziehen, erläutert Legacy in einer Onlinebroschüre.

Wer in Hongkong eine Briefkastenfirma registriert und sich von dieser anstellen lässt, kann einen Dienstleister wie Legacy damit beauftragen, für sich selbst ein Betriebspensionsmodell auszuarbeiten. In Hongkong kann man nicht nur Geld ansparen. Auch Unternehmensbeteiligungen sowie Immobilienvermögen dürfen im Rahmen der Betriebspension angelegt werden. Steuern fallen so gut wie keine an. Der Clou ist, dass das angelegte und verdiente Vermögen geheim bleiben darf. Keine Steuerbehörde der Welt muss etwas davon erfahren.

Die Broschüre von Legacy lässt in der Zentrale der Industriestaatenorganisation OECD die Wogen hochgehen. In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von Initiativen gestartet worden, um Steuerhinterziehung durch reiche Sportler, Künstler, Unternehmer und Politiker zu beenden. Die größten Anstrengungen waren der Entwicklung des Common Reporting Standard gewidmet.

Globaler Austausch von Kontodaten

Darunter verstehen Experten den globalen Austausch von Kontodaten, der 2017 und 2018 startet. Verfügt ein Bürger aus Österreich in Argentinien oder Hongkong über ein Konto, müssen die Banken Kontostand und Zinseinkünfte an die Finanz melden. Diese ist verpflichtet, die Daten nach Österreich weiterzuschicken. Unglaubliche Datenmengen werden global ausgetauscht werden, weil gut 100 Staaten mitmachen und eine Vielzahl von Produkten, etwa auch zahlreiche Versicherungen, erfasst sind. Gemeldet werden muss jeder Cent, es gibt keine Ausnahmen für Bagatellbeträge.

Die Idee dahinter: Wenn Bürger wissen, dass ihre Kontodaten aus dem Ausland gemeldet werden, hält sie das eher davon ab, illegale Konstruktionen zu wählen. Kontrollen sollen sicherstellen, ob im Ausland verdiente Zinsen in der Heimat versteuert wurden.

Wie viel das alles bringt, hängt laut Experten davon ab, ob die Banken ihren Meldeverpflichtungen nachkommen. Als genauso wichtig gilt, wie viele Schlupflöcher kreative Steuerberater finden und ob Staaten willig sind, diese zu schließen. Ähnelt das System am Ende einem Schweizer Käse, ist es wirkungslos.

An dieser Stelle kommt Hongkong ins Spiel. Die Richtlinien der OECD legen fest, dass Finanzprodukte von der Meldepflicht ausgenommen werden können, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen Missbrauch vernachlässigenswert gering ist. Für Betriebspensionen nimmt Hongkong eine solche Ausnahme in Anspruch.

Suche nach Schlupflöchern

Bei Steuerexperten heißt es, diese Vorgangsweise verstoße gegen die OECD-Vorgaben für den Kontodatenaustausch. Die Hongkong-Pension sei ein global vermarktetes Investmentprodukt, bei dem ein Risiko der Steuervermeidung bestehe. Im Büro der OECD-Experten, die beauftragt sind, die Umsetzung des Meldesystems zu beobachten, wird bestätigt, dass man in der Sache mit den Behörden in Hongkong in Kontakt getreten sei. Zwingen kann die OECD aber keinen Staat, sich ihren Vorgaben voll zu unterwerfen, dazu wäre politischer Druck nötig. Hongkong gilt als einer der zuletzt am schnellsten wachsenden Schattenfinanzplätze der Welt.

Ob Hongkong einlenkt, ist unklar, die Legacy-Broschüre mit allen Hinweisen auf die Diskretion findet sich weiter online. Zudem gibt es extra Werbevideos auf Youtube.

Bei der Pariser Organisation hat man inzwischen Kenntnis von einer Reihe weiterer Modelle, die entwickelt wurden, um das Meldesystem zu umgehen. So gibt es Steueroasen, die Interessierten Wohnsitzbescheinigungen gegen ein kleines Investment ausstellen.

Ein Europäer, der über eine solche fingierte Bescheinigung verfügt, kann theoretisch überall auf der Welt Konten eröffnen und der Bank, die nach dem Wohnsitz fragt, dieses Dokument vorlegen.

Lebensversicherungen

Meldungen über Einkünfte gehen damit zu der Steueroase und ins Leere. Zudem ist die Rede von Finanzprodukten, die erfunden werden, um Meldepflichten zu umgehen. Beliebt sind laut OECD auch Lebensversicherungen, die klassische Investmentprodukte sind, aber als Versicherungen getarnt werden und für die ebenfalls keine Meldepflicht gilt.

Eine der Ausnahme betrifft Österreich. der STANDARD berichtete von einer Sonderregelung zwischen Österreich und Liechtenstein, die dafür sorgt, dass heimische Stifter und ihr Vermögen im Nachbarland weiter anonym bleiben dürfen. Ein Abkommen zwischen der EU und dem Fürstentum schreibt das Gegenteil vor, Österreich beruft sich aber auf eine Klausel, die unter bestimmten Umständen Ausnahmen erlaubt. Die Neos haben dazu eine parlamentarische Anfrage eingebracht und auch Bruno Rossmann, Steuerexperte der Liste Pilz, sieht keine objektive Rechtfertigung für die Sonderbehandlung Liechtensteins.

Die EU-Kommission ist entspannter. Man sei von der Abmachung zwischen Wien und Vaduz informiert und habe diesbezüglich bisher keine Beschwerden erhalten, sagt ein Sprecher.

OECD will Pflicht zur Offenlegung

Sollten die neuen OECD-Regeln effektiv torpediert werden, würde sich bewahrheiten, dass Steuerbehörden der Beraterindustrie immer einen Schritt hinterherhinken. In Paris arbeitet daher derzeit daran, mit einer neuen Initiative die Bedrohung für das weltweite Meldesystem zu entschärfen.

Man will, dass die einzelne Staaten Gesetze verabschieden, wonach Steuerberater Modelle beim Staat registrieren lassen müssen, mit denen sich die Meldevorschriften für Konten umgehen lassen. Die OECD will in kürze ein Art Musterregelung dazu vorlegen, wie solche Vorschriften aussehen könnten.

Wenn alle Ausnahmemodelle registriert werden, würde das besonders extravagante Konstruktionen verhindern helfen, so die Hoffnung. Die Staaten hätten zudem die Möglichkeit, Lücken zu schließen. In einigen Ländern wie dem Vereinigten Königreich gibt es bereits eine Pflicht für Berater, bestimmte steuerschonende Konstruktionen behördlich anzumelden. (András Szigetvari, 22.11.2017)