Wien – "Ich bin mit geschlossenen Augen im Bikini dort gelegen und habe die Sonne genossen", erinnert sich Frau H. an den Nachmittag des 22. Juni. Sie lag auf der Papstwiese im Wiener Donaupark, als sie Schritte hörte. "Ich habe die Augen aufgemacht, da war er kniend neben mir, und ich habe gemerkt, das etwas nicht richtig läuft", schildert die 24-Jährige dem Schöffengericht unter Vorsitz von Eva Brandstetter, das entscheiden muss, ob Sharif M. versucht hat, Frau H. zu vergewaltigen.

Die damalige Vermutung des Opfers war richtig: Der Angeklagte legte sich auf sie und drückte ihr die Beine auseinander. "Es kam zu einem Gerangel, ich habe laut um Hilfe geschrien und es geschafft, ihn von mir zu schmeißen", erinnert die Frau sich. Dann seien zwei andere, je rund 100 Meter entfernte Parkbesucher herbeigeeilt und hätten den Angeklagten fixiert, bis die Polizei eintraf.

Verschiedene Geburtsjahre

Was sagt M. dazu? Er bekennt sich teilschuldig. "Zu welchem Teil?", fragt die Vorsitzende. "Ich war betrunken", lässt der Afghane übersetzen. Wie alt er ist, ist nicht ganz klar. Danach gefragt, sagt er zunächst, er sei 1371 geboren. Im gregorianischen Kalender sei das 1992, erklärt die Dolmetscherin. "In ihrem Asylantrag steht aber 1.1.1994?", hält Brandstetter dem Angeklagten vor. Er bleibt bei 1992, Geburtstag und -monat kennt er nicht. Dafür nennt er die wahren Namen seiner Eltern, die er im Asylantrag mit Mohammed und Fatima ebenso falsch angegeben hat. "Haben Ihnen die Namen besser gefallen?", interessiert die Vorsitzende. M. bejaht.

Dann erzählt der Angeklagte seine Vorgeschichte. Vor sieben Jahren sei er nach Österreich gekommen. "Weshalb?", fragt Brandstetter. "Um Asyl und Arbeit zu suchen." – "Laut Ihren Angaben beim psychiatrischen Sachverständigen waren Sie zuvor im Iran?" – "Ja, da bin ich mit 15 oder 16 hingegangen, um zu arbeiten." – "Und warum sind Sie dann hierher gekommen?" – "Hier kann man ruhig und in Sicherheit leben und arbeiten." – "Was war Ihr Asylgrund?" – "Ich hatte Probleme." – "Welche?" – "Aus wirtschaftlichen Gründen."

Schulverweis nach "Problem mit Perserin"

"Und was haben Sie in den sieben Jahren hier gemacht?" – "Ich war drei Jahre in einem Heim, dann habe ich einen Bescheid bekommen und angefangen zu lernen. Aber ich hatte einmal ein Problem mit einer Perserin, dann wurde ich aus der Schule geworfen." Brandstetter und Beisitzer Stefan Apostol werden hellhörig. "Was für ein Problem?" – "Wir haben diskutiert, und sie hat gesagt, sie ist verheiratet." – "Da muss doch etwas vorgefallen sein!", wirft Apostol ein. "Ich habe mir manchmal gedacht, sie könnte meine Freundin werden – und dann wieder nicht", bleibt der Angeklagte vage.

"Gut, und was machen Sie so den ganzen Tag?", fragt Brandstetter. "Ich schlafe sehr viel und beschäftige mich mit meinen Gedanken." – "Und welche Gedanken hatten Sie am 22. Juni?" – "Ich bin hinausgegangen, um ein Mädchen zu vergewaltigen", antwortet M. lapidar. Wie gestaltet sich Ihr Sexualleben sonst?", will die Vorsitzende wissen. "Ich bin immer wieder ins Bordell gegangen", rund einmal pro Monat in der letzten Zeit. "Und warum wollen Sie dann plötzlich eine Frau vergewaltigen?" – "Ich konnte meine Nerven nicht behalten."

"Kein Mensch war in der Nähe"

Er habe im Park die scheinbar Schlafende und eine günstige Gelegenheit gesehen: "Kein Mensch war in der Nähe." An Details kann oder will er sich nicht mehr erinnern, nur so viel: "Ich habe es versucht, aber sie war kräftiger als ich." – "Haben Sie eigentlich überlegt, eine Frau zu fragen, ob sie es freiwillig macht?" – "Wie gesagt, irgendwas war mit meinem Kopf nicht in Ordnung."

Apostol regt die Sache auf: "Was denken Sie sich eigentlich dabei? Machen Sie das immer? Gehen auf die Straße und nehmen, was kommt? Frauen, Kinder, Schafe?" – "Mit Tieren natürlich nicht", entrüstet sich der Angeklagte. "Das ist interessant, dass Sie nur Tiere ausschließen. Was für einen Stellenwert haben Frauen denn für Sie?" – "Einen großen. Gleich groß wie ein Mann."

Nach seiner Festnahme hatte er gesagt, Stimmen in seinem Kopf hätten ihm die Tat befohlen, und er würde es wieder versuchen, wenn man ihn gehen lasse. Es wurden daher ein psychologischer und ein psychiatrischer Sachverständiger beigezogen, um M.s Geisteszustand zu überprüfen.

Schummelversuche bei Psychotests

Der psychiatrische Gutachter Karl Dantendorfer trägt dem Gericht die Erkenntnisse vor. Beim Intelligenztest sei der IQ unter 80 gelegen, der Psychologe habe aber sowohl bei dieser Überprüfung als auch bei einem weiteren Test bemerkt, dass der Proband versuchte, die Ergebnisse zu verfälschen.

Eine Beobachtung, die auch Dantendorfer bei Tests machte. Insgesamt viermal untersuchte der Mediziner M., da er dessen Angaben misstraute. "Ich habe mir schon beim ersten Gespräch mit dem Angeklagten gedacht, dass er nicht die Symptome zeigt wie Patienten, mit denen ich seit 30 Jahren zu tun habe."

Bei der vierten Untersuchung offenbarte M. Dantendorfer, dass er keine psychischen Probleme habe. Freunde hätten ihm gesagt, dass man die vorspielen müsse, um nicht abgeschoben zu werden. Vor Gericht sagt der Angeklagte: "Ich dachte mir, Leute, die psychische Probleme haben, bleiben nicht so lange im Gefängnis." – "Aber sie können für möglicherweise unbefristet eingewiesen werden!", klärt die Vorsitzende ihn auf. "Jetzt weiß ich das auch."

Seine rechtskräftige Haftstrafe ist jedenfalls befristet: Der Senat verurteilt ihn zu dreieinhalb Jahren Haft. (Michael Möseneder, 22.11.2017)