Das enge Kleid ist nur der Anfang einer Serie von Kalamitäten: Nina Proll muss als Titelfigur in Sabine Derflingers "Anna Fucking Molnar" manche Kehrseite ihres Berufsstandes kennenlernen.


Foto: Ioan Gavriel

STANDARD: Ihre umstrittenen Äußerungen zur #MeToo-Debatte haben Ihnen viel mediale Öffentlichkeit eingebracht. Im Film heißt es einmal, es gebe keine schlechte Presse. War das Ganze eigentlich eine versteckte PR-Aktion für den Film?

Proll: Ich will gar nicht leugnen, dass ich auch Promotion für meinen Film gemacht habe, und das ist auch mein gutes Recht. Schließlich habe ich als Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin sechs Jahre an dem Film gearbeitet. Dass ich aber in jedem Interview dazu befragt werde, empfinde ich fast schon als Zumutung.

Nina Proll hat in den letzten Wochen mit ihren Aussagen zum Thema sexuelle Belästigung für viel Gesprächsstoff gesorgt.
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STANDARD: Warum?

Proll: Irgendwann war eine Schmerzgrenze erreicht. Die Sichtweise, dass man es in Österreich als Schauspielerin nur zu etwas bringen kann, wenn man jemandem irgendwelche Gefälligkeiten erweist, lehne ich ab. Deshalb war es mir wichtig, Position zu beziehen und zu sagen: "Nein, in meinem Leben hat es derartige Vorfälle nicht gegeben." Mir ist kein Vorfall bewusst, bei dem sich ein Regisseur oder Produzent in Österreich so verhalten hätte. Das gibt es bei uns, Gott sei Dank, nicht.

STANDARD: Woher wissen Sie, dass es solche Fälle nicht gibt? Nicht alle Betroffenen gehen damit in die Öffentlichkeit.

Proll: Ich bin durchaus für mehr Bewusstsein, was diese Angelegenheiten betrifft. Aber Frauen müssen zugleich auch mehr Bewusstsein dafür entwickeln, wo sexuelle Belästigung beginnt – und wo es nur um Ungerechtigkeiten geht, die das Leben mit sich bringt. Wenn ich eine Rolle nicht bekomme, hat das nichts mit Sexismus zu tun.

STANDARD: Das war wahrlich nicht der einzige Vorwurf.

Proll: Das wurde aber genannt. Und dann empfindet man es als Zumutung, wenn man gewisse körperliche Voraussetzungen mitbringen muss für eine Rolle – das ist doch das tägliche Brot einer Schauspielerin.

STANDARD: Also muss man mit Sexismus einfach umgehen können?

Proll: Auf jeden Fall.

STANDARD: Und man kann auch nichts gegen den Sexismus unternehmen? Sollte man sich nicht besser für andere Arbeitsbedingungen einsetzen?

Proll: Natürlich kann man etwas unternehmen. Das sage ich ja. Es bleibt jeder Schauspielerin überlassen, ob sie so eine Rolle darstellen will oder nicht. Ob ich eine Frau spielen will wie in Nordrand, die von ihrem Vater missbraucht wird, ist meine persönliche Entscheidung.

STANDARD: Wenn man das jetzt auf "Anna Fucking Molnar" überträgt, eine Komödie: Da bleibt Ihrer Figur die Wahl zwischen einer Zaubererassistentin und einer Hure. Bildet das denn auch eine Jobrealität ab?

Proll: Ja, klar. Das ist mit Sicherheit so. Aber trotzdem: Es muss nicht jede Schauspielerin sein, man kann auch Frisörin oder Handarbeitslehrerin werden.

STANDARD: Der Film ist eine Art geschlechterpolitisch gewendete Romantic Comedy: Die Frau darf in die Rolle des Mannes schlüpfen und Männerkörper mit Lustgewinn betrachten. Was ist mit einer solchen Spiegelung denn erreicht?

Proll: Das ist vielleicht meine Art, mit Sexismus umzugehen. Der Humor, der umgekehrte Sexismus, ist für mich auch eine Rettung. Natürlich landet man immer wieder in Situationen, in denen man sich ungerecht behandelt fühlt. Der Sexismus dient als Waffe: Wenn ich Männer auf ihren Körper reduziere, erlange ich für mich ein Stück Selbstverantwortung zurück. Eine Frau, die sexuell anziehend ist und von der ein Mann etwas begehrt, hat für mich auch Macht. Ich glaube, wir sind uns da wirklich ebenbürtig. Die eigentliche Frage ist, wie sehr wir uns dieser Macht bewusst sind.

STANDARD: Das erinnert auch an das Prinzip des Rape-Revenge-Movies: Man rächt sich am Vergewaltiger. Dem dahinter wirksamen Schema entkommt man damit aber nicht.

Proll: Das ist mir schon wieder zu negativ. Ich vergewaltige ja niemanden. Ich behaupte vielmehr, dass es anscheinend immer noch ein Tabu ist, eine Frau zu zeigen, die sich selbst liebt und ihre Bedürfnisse ernst nimmt. Und die Sex einfordert, ohne gleich ein Kind zu wollen.

STANDARD: Warum ist Sex im Film eigentlich so zentral? Warum sind alle notgeil?

Proll: Na ja, es ist nicht so, dass eine Frau, die sich liebt und mit Sexualität selbstbestimmt umgeht, keine Probleme hat. Es kommen ganz andere Problem auf sie zu. Das wollten wir zeigen: Meine Figur irrt sich ja, wenn sie meint, in unverbindlichem Sex ihr Glück zu finden.

STANDARD: Da liegen alle falsch. Ist das die Moral der Geschichte?

Proll: Ja, alle irren sich. Anna meint zwar, sie kann durch Sex ihre Probleme vergessen, aber dem ist nicht so. Wir wollten zeigen, dass sie sich erst mit den Ehe- und Potenzproblemen eines Mannes auseinandersetzen muss, um ihr Glück zu finden. Ganz zum Schluss, wenn sie aufhört, irgendetwas von ihm zu erwarten, wird Liebe möglich. Anna Molnar ist gezwungen, etwas zu lernen. Sex allein macht auch nicht glücklich. (Dominik Kamalzadeh, 23.11.2017)