Bei der FPÖ werden Befürchtungen wach, dass die ÖVP die versprochen großen Reformen unter Aussparung der heiklen schwarzen Machtbereiche anlegen will.

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Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) äußerte sich skeptisch: "Was soll eine Zusammenlegung der Krankenkassen wirklich bringen? Es ist einfach, die Zusammenlegung populistisch zu fordern", sagte Schelling.

Es war allerdings noch ein "anderer Schelling", der sich derart kritisch über die Pläne, die Krankenkassen zu fusionieren, geäußert hatte. Es war 2014, als Schelling noch Vorsitzender des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger war. Der Standort bestimmt eben den Standpunkt.

Die heutigen ÖVP-Kollegen Schellings in den Ländern sind jedenfalls nach wie vor gegen Fusionen, wie sie von den schwarz-blauen Koalitionsverhandlern im Bund geplant sind. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sagte es stellvertretend deutlich in Richtung Wien: "In die Tasche greifen lassen wir uns sicher nicht."

Bedenken

Man hat grundsätzlich Bedenken, dass die Finanzkraft der Landeskassen vom Bund abgesaugt wird. Auch die Gesundheitsreferenten der von der ÖVP dominierten Länder haben dieser Tage bereits ein deutliches Nein zu einer möglichen Zentralisierung der Gebietskrankenkassen deponiert. Die Entscheidungsgewalt müsse bei den Krankenkassen in den Ländern bleiben. Man wolle nicht "wegen jeder Kleinigkeit zu Verhandlungen nach Wien pendeln".

Einzig der schwarze steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler, der als neuer Gesundheitsminister in einer türkis-blauen Regierung im Gespräch ist, schwenkt auf Bundeslinie. Er zeigte sich "verwundert über die Bekenntnisse einzelner Ländervertreter zu neun unabhängigen Gebietskrankenkassen".

Es würden zwar Ansprechpartner vor Ort benötigt, um im Zusammenwirken von Ländern und Sozialversicherung Gesundheitsreformen auf Schiene zu bringen, aber ob es dazu neun formal unabhängige Gebietskrankenkassen brauche, sei zu hinterfragen. "Wir Länder sollten aufpassen, dass wir nicht nur als Anwälte des Status quo oder als Hohepriester des Strukturkonservatismus wahrgenommen werden", argumentierte Christopher Drexler.

Kaum zu "derheben"

Einmal von der Steiermark abgesehen, stoßen die türkis-blauen Koalitionsverhandler also schon bei den Gebietskrankenkassen in den Ländern auf harten Widerstand. Ein Vorgeschmack auf die Verhandlungen über das große Wahlkampfversprechen einer Zusammenlegung aller 21 Sozialversicherungsträger – also von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) und der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB) bis zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA). Allein die Beamtenkasse wird für ÖVP-Chef Sebastian Kurz wohl kaum zu "derheben" sein, was beim möglichen Koalitionspartner FPÖ bereits für einige Unruhe sorgen soll. Bei den Blauen werden Befürchtungen laut, dass die ÖVP die versprochenen großen Reformen unter Aussparung der heiklen schwarzen Machtbereiche anlegen will.

Grundsätzliche Skepsis gegenüber Fusionen äußert auch der Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach. Man müsse auch regionale Bedingungen berücksichtigen: "Wie soll denn in Wien eine Zentraleinheit für Bregenz verhandeln, welche Arztstelle dort besetzt werden kann?"

Die Gebietskrankenkassen beschäftigen bei einem Gesamtbudget von 13,7 Milliarden Euro bundesweit 10.463 Mitarbeiter – die Hälfte ist medizinisches Personal. Der Verwaltungsaufwand aller neun Kassen: 298 Millionen Euro. (Walter Müller, 22.11.2017)