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"Der Triumph des Todes" von Pieter Bruegel dem Älteren. Im ausgehenden Mittelalter war die Pest der produktivste Gehilfe des Sensenmannes.
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Jena/Wien – Auch wenn das Bild vom "finsteren" Mittelalter vielfach übertrieben wird, rosige Zeiten erlebte im Europa des 14. Jahrhunderts allenfalls die vermögende Oberschicht. Die Landbevölkerung hingegen litt im Gefolge der Kleinen Eiszeit unter Missernten und Hungersnöten. Über Krankheiten erreichte das Elend schließlich auch die Stadtbewohner. Während Lepra, Typhus, Ruhr oder Pocken im ausgehenden Mittelalter großteils lokal begrenzt auftraten, geriet jedoch eine Seuche zur kontinentalen demografischen Katastrophe: Die Pest, später auch Schwarzer Tod genannt, fegte zwischen 1346 und 1353 etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinweg.

Seuche aus dem Osten

Man nimmt heute an, dass der Erreger Yersinia pestis durch die Handelsverbindungen mit dem Osten aus Zentralasien eingeschleppt wurde. Das geschah freilich nicht das erste Mal in der Geschichte. Die erste große dokumentierte Pestepidemie, die Justinianische Pest, kam ebenfalls aus Asien und sorgte zwischen 540 und 770 unserer Zeitrechnung für einen empfindlichen Bevölkerungsrückgang im Nahen Osten und im Mittelmeerraum. Warum es fast 600 Jahre dauerte, ehe die Pest erneut in ganz Europa zuschlug, ist ungewiss.

Ebenso wenig wusste man bisher, in welchem Ausmaß die Europäer schon früher Bekanntschaft mit Yersinia pestis geschlossen hatten. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass dies möglicherweise schon während der Steinzeit geschah: Ein internationales Team fand im Rahmen einer großangelegten Genuntersuchung Hinweise darauf, dass der Pesterreger bereits am Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit in Europa präsent war. Sein Ursprungsgebiet dürfte auch vor beinahe 5000 Jahren die Eurasische Steppe gewesen sein.

Einblick in die Evolution des Pestbakteriums

Für ihre Studie im Fachjournal "Current Biology" sequenzierten die Forscher um Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena Genmaterial aus 500 Zahn- und Knochenproben aus Russland, Ungarn, Kroatien und den baltischen Staaten. In sechs Individuen entdeckten sie DNA-Fragmente von Yersinia pestis – genetische Überreste also, die den Wissenschaftern einen bislang beispiellosen Einblick in die Evolution des Bakteriums gewährten.

Die Karten zeigen die vermuteten Wanderbewegungen von Yersinia pestis während des Übergangs von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit.
Grafik: Andrades Valtueña et al./Current Biology

Besonders auffällig war die Tatsache, dass die analysierten Erregergenome aus unterschiedlichen europäischen Regionen einen hohen Verwandtschaftsgrad aufwiesen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Pest Europa damals in mehreren Wellen aus einer gemeinsamen Quelle außerhalb des Kontinents heimgesucht hat. Archäologische und genetische Belege lassen allerdings eher vermuten, dass die Pest nur einmal im Verlauf der Jungsteinzeit ihren Weg nach Europa gefunden hat und dort über längere Zeit verblieben ist.

Lokales Reservoir

Die Indizien weisen nämlich auf eine Einwanderung von Menschen aus dem Westen der Eurasischen Steppe vor 4800 Jahren hin, was zeitlich mit dem erstmaligen Auftreten des Pesterregers zusammenpasst. Die Daten untermauern demnach die Annahme, dass Yersinia pestis gemeinsam mit Nomaden aus dem Osten erstmals in Europa aufgetaucht ist. "In Europa dürfte die Pest dann ein lokales Reservoir gebildet haben, von wo aus sie später wieder zurück nach Zentralasien gewandert ist", meint Alexander Herbig, Koautor der Studie.

Die jungsteinzeitlichen DNA-Spuren zeigten überdies, dass das Pestbakterium nach dieser Ära genetische Veränderungen erfuhr, die auch seine Virulenz betreffen. Ob sich diese auf die Gefährlichkeit der Pest insgesamt ausgewirkt hat, müssten weitere Untersuchungen klären. Krause hält es allerdings für möglich, dass Yersinia pestis bereits bei ihrer ersten Einwanderung das Potenzial für eine Epidemie in sich trug. "Die Ausbreitung der Pest könnte eine der Ursachen für die verstärkte Mobilität der Menschen während des Neolithikums gewesen sein", mutmaßt der Forscher. (Thomas Bergmayr, 22.11.2017)