Wien – Schreib ein Gedicht, in dem die folgenden Worte vorkommen: Bohrmaschine, Beethoven, Vollpfosten, Kolloquium, histrionisch! Der Witz solcher Aufgaben liegt in den absurden Wendungen, die gemeistert werden müssen. Statt pointierten Erzählwillens also pure Konstruktion.

Ein "Hybrid", wie aus Boschs "Weltgericht" gefallen: Rückwärtsgeher mit Wischmob und Hummerhand (Roman Blumenschein).
Foto: Barbara Palffy

Ähnlich konstruiert ist auch der Versuch, das Herzstück der Gemäldegalerie der Akademie, Hieronymus Boschs Weltgerichtstriptychon (1485-1505), als Bühnenstück erfahrbar zu machen. Das scheitert. Zutaten sind, neben dem Meisterwerk: Wissenschaftsbetrieb, Paarbeziehungen, Terror und eine Prise soziale Medien.

Vor dem Original

Für Wien hat Jérôme Junod (Buch, Regie) sein 2016 ursprünglich für das Schauspielhaus Salzburg entwickelte Stück Hieronymus Bosch rund um den weltberühmten Garten der Lüste für das Weltgericht adaptiert. Und der besondere Spielort (im Theatermuseum, dem Ausweichquartier der Gemäldegalerie) macht's möglich, dass man, quasi als persönliche Ouvertüre, die Reise in die fantastische Welt des mittelalterlichen Malers direkt vor dem Original beginnen kann.

Hieronymus Bosch: "Weltgerichts-Triptychon", um 1490 – um 1505 (Öltempera auf Eiche)
Foto: gemäldegalerie der akademie der bildenden künste wien

Im Eroica-Saal startet der eigentliche Bosch-Trip (eine Salon5-Koproduktion) dann in einer Abflughalle. Dort strandet die junge Kunsthistorikerin Caroline (Petra Staduan) auf dem Weg zu einer Bosch-Tagung unfreiwillig. Das Canceln ihres Flugs lässt sie schockgefrieren, die Ursache hingegen – ein Terrorakt am Zielort Wien – entlockt ihr statt Entsetzen heiß Schäumendes über männliche Gewalt und Testosteron-Getriebene, die "lieber mit den Hoden auf den Tisch hauen, als die Frontlappen einzuschalten".

Bosch'sche Gestalten und Youtuberin

Die Transitzone des Flughafens dient Junod nicht nur als Startrampe für eine später folgende Zeitreise zum Künstlergenie selbst – sie fungiert auch als Rampe, auf der mit der Dynamik einer Tür-auf-Tür-zu-Komödie allerlei seltsame Bosch'sche Gestalten und eine Youtuberin stolpern. Ein Defilee der Eigenarten und schönen Kostüme (Antoaneta Stereva), die von der Regenbogenforelle bis zur Echsenfrau die Farbigkeit des Gemäldes einfangen. Oder: "Eine Freak-Show der Eitelkeiten", wie Bosch-Experte Flambertin das Weltgerichtsgetümmel skizziert.

Trailer zum Theaterstück.
Salon5

Nicht nur acht Darsteller springen in eifrigem Spiel (zurückgenommen einzig Horst Schily) in und aus 22 verschiedenen Rollen, auch das auf dem schmalen Podest einzige, klapprige Bühnenelement ist geschickt gedreht und gewendet einmal Flügelaltar, Cafébar oder des Meistermalers Haus, ein andermal die Kulisse des Bosch-Kolloquiums. Am lüsternen Kongress gerät der Widerstreit der Weltgerichtsinterpretation – moralisch! satirisch! esoterisch! – ziemlich clownesk. "Der furzt in die Trompete. Warum?" Gute Frage! (Anne Katrin Feßler, 23.11.2017)