Marke Eigenbau: rauchen von selbstgezüchtetem Marihuana.

Foto: Lukas Friesenbichler

Wenn das Wissen der Eltern nicht mehr mit der Realität übereinstimmt: Was bei Lego niemals der Fall ist, gilt für Cannabis umso mehr. Die heutigen Pflanzen sind viel stärker.

Foto: Lukas Friesenbichler

Es war früher schon auch lustig. Es gab "den Libanesen", den "Marokkaner", oder einfach "das Gras" bzw. "das Kraut". Besonders Geschäftstüchtige oder Rauchfreudige fuhren selbst nach Amsterdam und brachten "das Dope", "das Harz" oder "die Paste" als Ein-Kilo-Ziegel mit, versteckt im Lichtschacht des Zugabteils oder gleich portioniert im eigenen Magen. Wolfgang Ambros sang das passende Lied dazu: Du schwarzer Afghane. Das war 1976.

Die Kiffer versprachen sich vom tiefen Inhalieren und – ganz wichtig! – längerem Behalten des Rauches in der Lunge Euphorie, Entspannung und Gelassenheit. Sie wurden dadurch "weich", "breit", "stoned" oder "dicht", und man sah es ihnen auch an. Begleiterscheinungen wie Angststörung, Depression oder Paranoia waren damals kein Thema. Schon gar nicht schrieb sie jemand einem bestimmten THC-Wert im "Ofen" zu. Das Zeug war entweder "gut" oder halt "oarsch". Auffälligkeiten zeigten ausschließlich die Betrunkenen im Bierzelt, die sich mit Rüscherln, Erdbeerwein oder einfach Bier, mitunter angereichert mit Schnaps, für die nächste Schlägerei fit machten. Wer "Tüten" rauchte, der gehörte der Friedensbewegung an. "Hey, peace!"

Der lateinische Name Cannabis bezeichnet die Pflanzengattung Hanf, die geernteten Blüten, Blätter, Knospen und das Harz der weiblichen Pflanze tragen im Betäubungsmittelgesetz den Trivialnamen Marihuana. Kenner unterscheiden Indica-, Sativa- und Ruderalis-Gewächse, die sich in Größe, Ertrag und Blütezeit unterscheiden. Sativas sollen eher "head-highs" erzeugen, während Indicas mehr für "body-highs" geraucht werden, je nach Anteil der mehr als 80 Cannabinoide. Die wichtigsten sind das psychoaktive THC sowie das nichtpsychoaktive CBD, das vor allem in der medizinischen Nutzung verstärkt geschätzt wird.

An jeder Ecke

Lange Zeit galt Cannabis als leichte Droge, und das für eine überschaubare Minderheit wie Söhne von Hauptschuldirektoren oder Besucher einschlägiger Lokale mit lauter Musik. Schreckhaften Eltern galt Hasch aber damals schon als Einstiegsdroge. Heute weht einem der typisch harzige Geruch glimmender Joints beinahe an jeder Ecke und zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Nase. Er kann ein türkisches Café ebenso einhüllen wie heimische Schulen, egal ob für Gymnasiasten oder Berufsschüler. Der Wiener Stadtpark ist sommers voll mit jungen Konsumenten aus den Gymnasien Hegelgasse und Stubenbastei, die sich die Samen vielleicht im Internet bestellen und auf den Dachterrassen der Eltern selbst ziehen: "Sehr kompaktes Weed mit einer dicken Schicht aus Kristallen überzogen und mit kräftigem, aber auch frischem Aroma! Rechne damit, in einem Zustand tiefer Entspannung an deinen Sitz geklebt zu werden."

Das so beworbene Gewächs heißt OG Kush und wurde von der Plattform High Times zur "besten Sorte aller Zeiten" gekürt. Im Freien kann die Pflanze bis zu zwei Meter hoch wachsen und einen Ertrag von bis zu 500 g/m² bringen, bei einer Blütezeit von sieben bis neun Wochen. Man kann ja immer noch sagen, dass man Tee anbaut, wenn die Eltern danach fragen.

Von Teenagern bis zu Omas

Konservativ geschätzt finden "ziemlich viele" Eltern das Zeug irgendwann bei ihren Kindern, wenn sie danach suchen, meist haben sie ja ein Näschen dafür. Umgekehrt finden es nicht wenige Kinder auch bei ihren Eltern. Die erste Kiffergeneration raucht längst im Pensionistenheim respektive entdeckt dort die heilende oder zumindest schmerzlindernde Wirkung der Pflanze. Ihre in den späten 1960er-Jahren geborenen Hippiekinder haben dann auch nach dem Studium, währenddessen sie sich kurz austoben wollten, selten aufgehört zu rauchen und konsumieren es heute gegen den Druck in der Arbeitswelt.

Und deren Kinder drängen nun, ausgestattet mit enormem Wissen nicht zuletzt durch das Internet, als Konsumenten und Grower nach. In besonders aufgeschlossenen Familien rauchen also drei Generationen. Kifferbeichten lesen sich nicht selten so: "Ich hab dann was mit meiner Oma geraucht." Oder "Mama hat nur wissend gelächelt." Und "wissend Lächeln", noch dazu von einem Ohr zum anderen, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand vollkommen "breit" ist. Wie soll man da den Enkerln beibringen, dass Cannabiskonsum gefährlich sein kann?

Daytime-Smoking

Laura, eine 18-Jährige, erzählt von ihrer 50-jährigen Mutter, die konsumiert, seit sie 15 ist. Mama geht abends auch immer noch gern lange weg und kommt frühmorgens trotzdem problemlos aus den Federn. Wie macht sie das? Vielleicht raucht sie Critical Neville Haze, das im Internet mit "bis zu 23,5 % THC als toll geeignet für Daytime-Smoking" gepriesen wird. "Man hat noch genügend Energie und Kreativität, um etwas zu schaffen!" Laura selbst hat allerdings noch nie etwas geraucht, denn so gut drauf, wie diese selbst glaubt, ist ihre Mama nämlich gar nicht. Vielleicht ist es also das abschreckende Beispiel der Eltern, das Kinder von Drogen fernhält?

Unterschiedliche Faktoren nehmen Einfluss auf den THC-Gehalt der Pflanze und manipulieren somit ihre psychoaktive Wirkung: Der Anbauort (im Grow-Room oder im Freien), der Substrattyp (Erde oder Hydroponik), der Nährstoffgehalt, die Lichtquelle, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und der Kohlendioxidgehalt spielen eine entscheidende Rolle. Ebenso ist die Genetik der Pflanzen und das persönliche körperliche Befinden entscheidend dafür, wie der Joint letztlich wirkt oder auch schmeckt: Die Sorte Bubble Kush wurde zum Beispiel mit Kaugummiaromen verschnitten. Klingt lustig, ist es aber vor allem für Teenager doch nicht.

In Großbritannien waren im Jahr 2016 allein 13.000 Teenager wegen schwerer Probleme infolge von "heavy use" in Behandlung, die meisten im Alter von 15 Jahren. Mittlerweile geht die Forschung davon aus, dass langfristiger, dauerhafter Konsum mit körperlichen, psychischen und sozialen Risiken verbunden ist. Zwar legen sich psychotische Symptome meistens wieder, und viele Teenager hören nach dem ersten Joint wieder auf.

Großes Risiko

Wer hingegen intensiv weiterraucht, ist durch den mittlerweile oft extrem hohen THC-Gehalt der Pflanzen höchst anfällig für psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und Depression. Wobei diese Erkrankungen auch, wenn man nicht mehr konsumiert, als Spätfolge auftreten können.

Die Menge ist beim Konsum von illegalen Suchtmitteln juristisch nicht relevant, spielt aber beim Handel eine Rolle. Wenn die Polizei einen Konsum feststellt, ist sie zur Anzeige verpflichtet. Was mit der Anzeige dann geschieht und welche Auswirkungen sie hat, ist allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

In Amerika hingegen sanieren mittlerweile ganze Bundesstaaten wie Colorado über die Steuereinnahmen auf den legalen Verkauf von Cannabis ihre Budgets, der Markt ist riesig. Immer neue Hybride entstehen, bestimmte Sorten und Züchter werden kultisch verehrt: So das Skunk #1, welches von einem Grower namens David Watson gezogen wurde, der als "Sam the Skunkman" auch im Gefängnis saß. Er verwendete, so weiß es die Legende, eine Auswahl von "afghanischen Sorten, Acapulco Gold und Columbian Gold" für seine Züchtung, die zu einem belebenden Kick führen soll.

Genau dieses High kann allerdings auch zum Problem werden. Wer Unruhe, Ängstlichkeit oder starkes Schwitzen bei sich feststellt, sobald er versucht, den Konsum zu reduzieren, der sollte sich dringend beraten lassen. Personen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen sollten überhaupt kein Cannabis konsumieren. Jedoch gibt es die typische Suchtpersönlichkeit auch unter Cannabiskonsumenten nicht. Ein genetischer Anteil, geringes Selbstwertgefühl, geringe Problemlösungsfähigkeit und Frustrationstoleranz können aber als Risikofaktoren gelten. Bei der Entstehung einer Abhängigkeit spielen wohl komplexe Zusammenhängen eine Rolle, die Substanzeigenschaften, biologische, psychische und soziale Faktoren umfassen. (Manfred Rebhandl, 26.11.2017)

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