Es muss 1967 gewesen sein. Die Familie hatte aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen beschlossen, den Heiligen Abend nicht daheim in Wien, sondern in Flachau zu verbringen. Mit anschließendem Skiurlaub. Es waren gleich mehrere ambitionierte Familien, die reizende Tante Lotte war mit von der Partie. Sie hatte ein Auto, fuhr mit dem Gepäck voraus, extrem praktisch. Der Rest nahm die Bahn. Fünf Buben wurden in ein Zimmer gepfercht, Gemeinschaftsdusche am Gang, was nicht schlimm war, vor 50 Jahren stand Duschen ganz unten auf der Prioritätenliste. Das Massaker nahm jedenfalls seinen Lauf. Tante Lotte riss beim Schleppliftfahren die Achillessehne, Tante Margret brach sich beim Abschwingen das Schienbein, im Krankenhaus Schwarzach musste eine Sonderschicht geschoben werden. Der Kurti, einer aus dem Fünfbettzimmer, erkrankte an Masern, mein kleiner Bruder dürfte sich überfressen haben, er kotzte wie ein Reiher, das war richtig grauslich. Eine vorzeitige Abreise wurde nicht erwogen, aufgegeben wurden damals Briefe, die Vorläufer von E-Mails.
Trotzdem wurde der Heilige Abend fortan daheim in Sicherheit gefeiert. Bis 2017. Ein Zweig der Familie reist in ein Tiroler Bergdorf. Vater, Mutter, Kind (18 Jahre), Schwägerin, Hund Wenzel, eine entzückende, aber von Klugheit und Gehorsam völlig befreite Französische Bulldogge. Angst. Andererseits verdient Weihnachten eine zweite Chance.