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Es gibt sie noch, EU-Freunde in Großbritannien, die gegen den Austritt ihres Landes aus der EU protestieren. Doch der Zug ist abgefahren. Es geht um Schadensbegrenzung.

Foto: Kirsty Wigglesworth

London – Bei einem Besuch in Brüssel hat die britische Premierministerin dem EU-Ratspräsident Donald Tusk neue Vorschläge für die Brexit-Verhandlungen überbracht. "Wir müssen gemeinsam einen Schritt weitergehen", sagte Theresa May am Rande des Gipfels über die Sicherheit Osteuropas.

Beim Gespräch mit Tusk ging es vor allem darum, wie viel der bisher zweitgrößte Nettozahler noch in die Brüsseler Kasse einzahlen will. Gerade noch rechtzeitig erfüllte die Premierministerin damit das Ultimatum von EU-Chefunterhändler Michel Barnier, der vor vierzehn Tagen neue Londoner Ideen eingefordert hatte.

May kündigte im September an, ihr Land werde seine "während der Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen einhalten". Das schien vielen EU-Partnern als viel zu vage. Mittlerweile stellen die Briten klar: Gemeint ist damit nicht nur die Erfüllung aller Zahlungen im EU-Haushaltsrahmen bis Ende 2020.

Offenbar will London auch darüber hinausgehende Zahlungen, etwa für Projekte des EU-Kohäsionsfonds oder der Investmentbank EIB, beibehalten.

40-Milliarden-Angebot

Hinter vorgehaltener Hand ist in London von einer Gesamtsumme von rund 40 Milliarden Euro die Rede. Dafür holte sich die Regierungschefin am Dienstag die Zustimmung des Kabinetts. Freilich wollen die Briten ihr Entgegenkommen an baldige Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen mit dem Kontinent knüpfen.

Diese werden von den EU-Partnern bisher blockiert, was in London für Unverständnis sorgt: Insbesondere bei der hochsensiblen Frage über die künftige Grenze zwischen der Republik Irland und dem britische Nordirland kann es, so die Meinung vieler Experten, keinen Fortschritt geben, ohne dass wenigstens die Konturen der künftigen Handelsbeziehungen erkennbar sind.

Viele offene Fragen

Während die rechtliche Stellung der gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel weitgehend geklärt ist, bleibt die Berechnungsgrundlage für die britischen Zahlungen, vor allem aber die Zukunft der inneririschen Grenze umstritten. Weil London auf dem Austritt aus EU-Binnenmarkt und Zollunion besteht, wird die durchlässige Grenze künftig zur Außengrenze der EU. Damit gerät nicht nur der rege Handel zwischen der Grünen Insel und dem früheren Kolonialherrn in Gefahr, sondern auch das Friedensabkommen, das an Karfreitag 1998 den Bürgerkrieg in Nordirland beendete.

Das will Dublin mit einer Sonderregelung für Nordirland vermeiden. Diese aber stößt auf Misstrauen bei der protestantischen Unionistenpartei DUP, von deren zehn Stimmen im Unterhaus Mays Minderheitsregierung abhängig ist. Die DUP war die einzige wichtige politische Kraft in der britischen Provinz, die dem Brexit das Wort redete. 56 Prozent der Nordiren stimmten für den EU-Verbleib.

Dublins Premier Leo Varadkar hatte sich zuletzt skeptisch über die britischen Brexit-Vorstellungen geäußert und indirekt mit Irlands Veto gegen die Fortsetzung der Verhandlungen gedroht. In London wird mit Ärger registriert, dass irische Minister im Ausland offen um Firmen werben, die wegen des britischen EU-Austritts von der größeren Insel abwandern wollen. Das Verhältnis der beiden Nachbarn gilt als so gespannt wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr. (Sebastian Borger aus London, 25.11.2017)