"Man sollte das Gefühl haben, dass einem genug vom Geld bleibt", sagt Susanne Höllinger, Vorstandsvorsitzende der Kathrein Privatbank.

Illustration: David Mathews

Hand aufs Herz: Wer von uns hat nicht schon mal davon geträumt, einen Lottosechser zu machen, im Kasino den Jackpot zu knacken oder unvermutet ein Vermögen zu erben? Was würden wir dann alles tun? Beherzt shoppen gehen, eine mega Party schmeißen, den Kredit abbezahlen, ein Haus kaufen, die Welt bereisen? Doch "halt", sagt Susanne Höllinger, Vorstandsvorsitzende der Kathrein Privatbank.

Erst mal durchatmen und sich ruhig verhalten, rät die Expertin. Denn jene, die gleich nach der Lottoziehung das Fenster aufreißen und hinausschreien, dass sie gewonnen haben, Nachbarn und Freunde zur Spontanparty einladen, werden oft von jeder Seite angebettelt – und schneller, als es dem Gewinner lieb ist, ist das Geld verborgt oder weg, und eigene Wünsche bleiben offen. Nicht selten bleiben Schulden zurück.

Besser ist es, sich Zeit zu nehmen. Einen Berater suchen, eventuell einen zweiten. Ideen vergleichen, ruhig bleiben und überlegen, was man mit dem Geld machen will. Und bloß nicht sofort alles veranlagen, weil dann oft persönliche Wünsche keinen Platz mehr haben.

Das zeigt: "Auch der Umgang mit Reichtum muss gelernt werden", sagt Höllinger. Sie empfiehlt folgende Strategie: Ein Teil des Vermögens sollte für wichtige Punkte verwendet werden wie beispielsweise Kredite abbezahlen, Haus ausbezahlen, Wohnung für die Kinder kaufen, Familie und Kinder absichern.

Folgekosten

Einen Teil des Vermögens sollte man für private Ausgaben und Folgekosten zugänglich halten. Denn ein gestiegener Lebensstandard verursacht Folgekosten. Wer sich einen Pool einbauen lässt, hat laufende Reinigungskosten. Die Versicherung für ein neues, teures Auto schlägt ebenfalls zu Buche. Wer mehr reisen möchte oder das Haus generalsanieren, muss das auch bedenken.

Nach Abzug des liquiden Teils sollte man sich überlegen, ob man Geld verschenken oder spenden möchte. Denn auch die Finanzierung eines Studiums etwa für die Nichte, die Erfüllung eines Herzenswunsches vom Enkerl oder Spenden sollten nach Plan erfolgen.

"Viele Leute vergessen auf diese Punkte. Ist das Geld dann veranlagt und gebunden, sind spontane Wünsche oder Spenden oft nicht mehr möglich", sagt Höllinger. Zu bedenken ist, dass Schenkungen ab 50.000 Euro beim Finanzamt angezeigt werden müssen, damit der Beschenkte die Herkunft des Geldes auch erklären kann.

Sind all diese Möglichkeiten abgedeckt, kann man über die Veranlagung vom Rest reden. Auch dies sollte langsam und in Ruhe angegangen werden – und vor allem dem Know-how des Kunden entsprechen. Wird das Geld übereilt in zig Assetklassen gesteckt, die dem Kunden gar nichts sagen und das Risikobewusstsein des Anlegers außer Acht gelassen, schafft das nicht selten Unzufriedenheit, weil der Kunde nicht das Gefühl hat, seine Veranlagung im Griff zu haben.

Arbeit als fixe Struktur

Die Investments sollten zu Beginn quartalsweise besprochen werden. Das liefert dem Kunden laufend Information, und so wird der Anleger im Laufe der Zeit viel über den Markt und seine Investments lernen. Nicht selten weckt das auch Interesse und Lust auf andere Anlageklassen, die peu à peu dazugenommen werden können. Vor allem das Risiko sollte zu Beginn klein gehalten werden. Denn "man sollte immer das Gefühl haben, dass einem selber auch genug vom Geld bleibt", sagt Höllinger. Das Gefühl, abgesichert zu sein, ist auch eines, das genossen gehört.

Erst wenn alles in trockenen Tüchern ist, kann man überlegen, eine Party zu machen, oder daran denken, wen man einweihen möchte. Und, so rät Höllinger: "Bloß nicht übereilt kündigen." Man sollte nach einem Geldsegen mindestens noch ein Jahr arbeiten und sich alles genau anschauen. Dann gibt es erste Erfahrungen, ob man von dem Gewinn oder der Erbschaft wirklich leben kann – und auch will. Denn viele Menschen brauchen die Arbeit auch als fixe Struktur.

Aber nicht nur der spontane Reichtum bringt es mit sich, dass man sich um das Geld auch kümmern muss. Leute, die bereits vermögend sind, sollten ebenfalls gut überlegen, wie sie dieses an die nächste Generation weitergeben möchten. Es empfiehlt sich, jene, die erben sollen, früh einzuweihen, damit nicht nur der Umgang mit Geld, sondern auch die Verantwortung für ein Familienvermögen erlernt werden kann.

"Die Kinder einzuweihen heißt ja nicht, ihnen sofort Zeichnungsberechtigung für sämtliche Konten zu geben", sagt Höllinger. Es schafft aber eine Sensibilität für den Umgang mit Geld.

Das führt zum Thema Testament: "Wer Geld oder Güter zu vererben hat, sollte sich überlegen, an wen er was übertragen will", rät Höllinger. Ist die gesetzliche Erbfolge nicht passend, braucht es ein Testament, in dem die Wünsche auch festgehalten werden. Und damit auch sichergestellt ist, dass das Erbe im Sinne des Erblassers weiterlebt.

Offene Kommunikation

Steckt das Vermögen in einer Stiftung, schafft das bei Erben nicht selten Konflikte. Dann nämlich, wenn sie eine Ausschüttung bekommen, mit der sie nicht zufrieden sind. Denn an das Vermögen selbst kommen sie nicht heran. Bei einer Stiftung gibt es drei Stiftungsvorstände, die im Sinne des Stifters agieren.

Stirbt der Stifter, kann an der Stiftungsurkunde – und damit an Ausschüttungen oder Begünstigungen – nichts mehr geändert werden. Auch hier rät Höllinger zu einer offenen Kommunikation zwischen Erben und Erblasser und dazu, in der Stiftungsurkunde für "unvorhergesehene Notfälle" vorzusorgen. Es helfe ja nicht, wenn das Geld in der Stiftung steckt und das Kind aus einer finanziellen Notlage nicht herausfindet.

Zu bedenken gibt Höllinger auch, dass man Geldangelegenheiten nicht nur für den Todesfall regeln sollte. Auch an den Fall, dass der Inhaber – etwa durch Krankheit – handlungsunfähig wird, sollte gedacht werden. Übernimmt ein Sachwalter die Agenden, werden die Angehörigen nicht selten zu Bittstellern. Und das Geld, das man hat, soll schließlich ja auch Freude machen. (Bettina Pfluger, Portfolio, 2017)