Andrea Jungmann in Aktion: Die Chefin von Sotheby's Österreich hält jährlich mehrere Benefizauktionen ab – hier zugunsten des CS (Caritas Socialis) Hospiz Rennweg.

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Neunerhaus-Auktion: Zum 17. Mal fand jüngst im Museum für angewandte Kunst der jährlich von zahlreichen Künstlern und von kauffreudigem Publikum unterstützte Event statt.


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Als Auktionator fungierte Michael Kovacek, Geschäftsführer des Auktionshauses "im Kinsky".

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Impressionen aus der Neunerhaus-Auktion.

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Der Versteigerungskatalog für die Neunerhaus-Auktion.

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Sechs Länder, 32 Städte, 120 Atelierbesuche und 7500 gefahrene Kilometer in 38 Tagen: Eine stattliche Tour, die Michael Schmidt-Ott Anfang des Jahres absolvierte. Mit seinem Beruf als Kunstberater hatte das nur bedingt zu tun, sein Netzwerk wird ihm wohl trotzdem von Nutzen gewesen sein.

Seine Mission war für den guten Zweck und dauerte insgesamt ein gutes Jahr. Am Ende belief sich die "Beute" auf 183 Spenden von 174 Kunstschaffenden aus 26 Nationen. Vereint in einem Katalog, der in einer Auflage von 4000 Stück produziert und international verschickt wurde. Anfang Oktober gelangten die Kunstwerke in Kooperation mit dem Auktionshaus Sotheby's in einer Benefizauktion zur Versteigerung.

Der Auftakt war an diesem Tag einem Apfel vorbehalten. Für Auktionsdebütanten im Publikum, um den Ablauf einer solchen kennenzulernen, erklärt Andrea Jungmann, Chefin der Österreich-Niederlassung von Sotheby's. 35 Euro zum Dritten. Mehr als zwei Stunden später waren 83 Prozent des Angebots versteigert, und die Besitzerwechsel summierten sich auf rund 230.000 Euro, die dem Hospiz Rennweg der Caritas Socialis zugutekommen.

Jene Werke, die am Abend des 5. Oktober unverkauft blieben, werden nun in Michael Schmidt-Otts vor einigen Jahren gegründeter Challery zum Verkauf angeboten. Dem Pop-up-Konzept folgend war sie zeitweise in leerstehenden Geschäftsräumen untergebracht, derzeit läuft ihr Betrieb online. Der Nachverkauf dauert an, und die Erlöse fließen fortlaufend in das Sozialprojekt.

Stolze Sümmchen

Dies ist nur eine von vielen übers Jahr verteilt stattfindenden Charity-Auktionen, die – je nach Warenumfang – zumindest 30.000, wenn nicht 300.000 Euro abwerfen. Mal sind sie anlassbezogen, etwa für Integrationsprojekte zugunsten des Österreichischen Roten Kreuzes (50.000 Euro). Oder regelmäßig, wie die seit 2012 jährlich für SOS Mitmensch vom Dorotheum betreute Versteigerung, die heuer im Juni um die 80.000 Euro einspielte. Eine wichtige Einnahmequelle für kleine Vereine, keine Frage.

Über die Jahre kalkuliert, können sich da stolze Sümmchen zusammenläppern, wie das Beispiel des Instituts zur Cooperation bei Entwicklungs-Projekten (ICEP) zeigt. Seit 2003 hält der 1994 zur Bekämpfung der globalen Armut gegründete Verein Auktionen ab, deren Erlös etwa Berufsbildungsmaßnahmen für Jugendliche oder Unternehmensförderung vor Ort finanziert. In den bislang 16 abgehaltenen Versteigerungen wechselten 879 (von 500 Künstlern gespendete) Kunstwerke den Besitzer: Der Erlös summierte sich auf 660.650 Euro.

Sammler: 2003 gab Florens Eblinger sein Charity-Debüt. Seither besucht er regelmäßig Benefizauktionen, kauft aber auch in Galerien und bei Kunstmessen. Etwa 200 Kunstwerke nennt er mittlerweile sein Eigen: darunter "Avatar", eine Skulptur des gebürtigen Vorarlbergers Mario Dalpra.
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Kein Wunder, dass sich Charity-Auktionen unter Fundraisern und davon profitierenden Vereinen großer Beliebtheit erfreuen. Und bei Kunsthändlern, die sich da schon mal ihr Warenlager aufstocken. Und besonders beim allgemeinen Publikum. Viele kommen hier erstmals mit Kunst in Berührung, etwa solche, die die Schwelle einer Galerie nie überschreiten würden. Andere legen in diesem Umfeld den Grundstock für eine spätere Sammeltätigkeit.

Ein integraler Bestandteil

Im Fall von Florens Eblinger wäre Melange die treffendste Bezeichnung. Er kauft seit Jahren in Galerien und Auktionshäusern, und seit 2003 auch regelmäßig bei Charitys. Oftmals führte das eine zum anderen, erzählt der 44-Jährige, der ersten für einen guten Zweck ersteigerten Arbeit von Christian Eisenberger folgten später Zukäufe in Galerien oder bei Kunstmessen. An die 200 Kunstwerke nennt er mittlerweile sein Eigen, jährlich kommen etwa 15 neue dazu.

In seinem Familienleben sei Kunst längst ein integraler Bestandteil. Gemeinsam mit Ehefrau Arabella Kiesbauer und den beiden Söhnen werden Kunstmessen wie die Art Basel oder auch die Biennale von Venedig besucht. Die Wände daheim seien vollgehängt, neuerdings auch das Ferienhaus in Tirol. Und davon zeugen auch die in den Räumen von Eblinger & Partner (Personal- und Managementberatung) verteilten Werke: in seinem Büro etwa ein Gemälde von Julian Khol, eine der ersten Charity-Trophäen überhaupt.

Seine Qualitätsansprüche wären im Laufe der Jahre gestiegen, gesteht Eblinger, er besuche mittlerweile nur noch vier solche Events jährlich. Dabei nahm die Anzahl der Benefizauktionen in den vergangenen Jahren rasant zu, sie ernten dementsprechend auch Kritik. Von Galeristen etwa.

Weniger weil sie sich um Geschäfte gebracht sehen, sondern weil die bei Benefizevents üblichen Dumpingpreise den Markt verfälschen, betont etwa Ursula Krinzinger. Denn mit prominenten Zugpferden wird in jener Preisregion gefischt, in der sich eigentlich die jungen Künstler der nächsten Generation tummeln. Dass Schnäppchenjäger ihre zuvor bei Charity-Auktionen ergatterten Trophäen anschließend der Galerie zum Kauf anbieten, komme immer wieder mal vor.

Bis hin zu Erpressung

Das Ganze sei irgendwann ausgeufert, auch weil man dafür weder einen Gewerbeschein noch eine Lizenz benötige, mutmaßt die Galeristin. Generell halte sie ernsthafte Projekte für unterstützenswert, jedoch nicht auf Kosten der Künstler, die zunehmend unter Druck gesetzt werden.

In teils aggressiver Manier, weiß Kollege Manfred Lang von seinen Schützlingen zu berichten. Wer zögert, ist mit Appellen an die soziale Ader noch gut bedient. Wer ablehnt, bekommt schon mal die Androhung, dass diese asoziale Haltung unters Publikum gebracht würde. Der gute Zweck heiligt erpresserische Mittel freilich nicht.

Manche wählen eine Art Kompromiss und spenden Ausschussware. Lang verweist hier auf den mittlerweile offenkundigen Qualitätsverlust bei großen Namen, bei jenen etablierten Künstlern, die bei Benefizauktionen stets als Zugpferde dienen. Soweit die Kehrseiten.

Aus Sicht der Künstler gibt es aber auch positive Aspekte bei solchen Auktionen. Gerade für junge, die sich ohne Galerienvertretung auf diese Weise auf dem Markt ins Spiel bringen können und die, mit etwas Glück, nicht nur über den Auktionskatalog erste Publicity generieren. Ein Argument, das bei der Akquisition von Initiatoren gern ins Treffen geführt wird.

Hört man sich im Kreis jener Künstler um, die sich zum jüngeren Establishment zählen, dann werden ebenso kritische Töne laut. Sei es, weil die Kunstwerke entgegen der expliziten Vereinbarung mit den Organisationen im Nachverkauf verscherbelt werden. Sei es, weil die Menge an angeforderten Spenden schon eine separate Produktion fordert.

Deborah Sengl: Die Anfragen nahmen überhand. Mittlerweile unterstützt sie nur mehr einige wenige Organisationen.
Foto: cédrickaub

"Frau Sengl, sie sind doch ein guter Mensch." Sie wisse gar nicht, wie oft sie diesen Satz schon gehört habe, erzählt Deborah Sengl, er mache sie grantig. Ihr gehe es nicht nur um Dankbarkeit, sondern vor allem um Respekt. Den haben Kunstschaffende jedenfalls verdient. Etwa die Gestaltung der Rufpreise betreffend, die eine gewisse Grenze nicht unterschreiten sollten.

Spreu vom Weizen trennen

Im Laufe der Jahre hat sie für sich die Spreu vom Weizen getrennt und unterstützt mittlerweile nur mehr einige bestimmte Initiativen. Das Neunerhaus beispielsweise, jene Wiener Hilfsorganisation, die obdachlosen Menschen ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben ermöglicht. Das erklärte Ziel ist, Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, um ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern.

Das Neunerhaus-Modell sieht als eines der wenigen auch eine Beteiligung der Künstler vor, konkret zwischen zehn und 20 Prozent vom Kaufpreis. Der Kontakt zu Michael Walk, der dieses Projekt seit rund 14 Jahren betreut, sei ein engerer, erzählt Sengl. 2006 habe sie eine der betreuten Bewohnerinnen porträtiert. Tina hieß sie. Das Gemälde wurde für 1600 Euro versteigert. So günstig bekommt man Sengls Werke schon lange nicht mehr.

"Tina", 2006: 2006 porträtierte Sengl eine der Neunerhaus-Bewohnerinnen. Das Gemälde wurde versteigert und gelangte in die Sammlung der Universität für angewandte Kunst.
Foto: D. Sengl

Der damalige Käufer? Patrick Werkner, Leiter der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien. Zufall: Exakt dieses Bild wird im Zuge der bevorstehenden Ausstellung anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums der Universität zu sehen sein – im Museum für angewandte Kunst ab 15. Dezember (Titel der Ausstellung: "Ästhetik der Veränderung"). Er breche eine Lanze für solche Auktionen, auch wenn die Qualität des Angebots bisweilen durchwachsen sei. Werkner kauft regelmäßig im Charity-Umfeld, gerade weil sein Budget knapp bemessen ist und so Zukäufe unter dem marktüblichen Preisniveau möglich sind.

Steuerlich interessant

Hinzu kommt die steuerliche Begünstigung. Will heißen: Das höchste Gebot (Meistbot) gilt als endgültiger Kaufpreis, und als Spende entfällt die sonst bei Kunstkäufen übliche Mehrwertsteuer. Dazu bekommen sowohl der Künstler als auch der Käufer eine Spendenbescheinigung über jeweils 50 Prozent des Meistbots, die sodann steuerlich abzugsfähig sind – bis zu zehn Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des jeweiligen Jahres für Privatpersonen ("Sonderausgabe") oder des Gewinns für Unternehmen ("Betriebsausgabe"). (Olga Kronsteiner, Portfolio, 2017)