Linda Cardellini als Lindsay Weir, die sich im übergroßen Army-Jacket auf die Suche nach sich selbst begibt.

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US-amerikanische Highschool-Serien funktionieren stets nach demselben Prinzip: Da sind die oberflächlichen, aber beliebten Kids, die Quarterbacks und Cheerleader, die die Hackordnung auf dem Schulhof vorgeben, worunter eine Gruppe ganz besonders leidet: StreberInnen mit dicker Brille, sympathisch, aber schlicht too school for cool. Dazwischen tummeln sich MitläuferInnen und coole AußenseiterInnen, Freaks, die den pompösen Abschlussball boykottieren und lieber in einer schummrigen Ecke an einem Joint ziehen.

Schüchterne Heldin

Auch "Freaks and Geeks", das 1999/2000 im US-Sender NBC ausgestrahlt wurde, reiht sich in diese Logik ein, zeigt aber im Gegensatz zu so mancher Hochglanzproduktion ehrliches Interesse für seine Charaktere. Im Zentrum der Serie, die an einer Vorstadt-Highschool im Michigan der 1980er-Jahre angesiedelt ist, steht Lindsay Weir (Linda Cardellini), eine junge Frau, die gerade eine existenzielle Krise durchmacht. Der Tod ihrer Großmutter wirbelt die Vorzeigeschülerin und Mathe-Athletin gehörig durcheinander, zum Schock ihrer spießigen Familie freundet Lindsay sich mit einer Gruppe Freaks an und schwänzt sogleich zum ersten Mal in ihrem Leben eine Schulstunde.

Aber auch wenn ihr neuer Umgang ihrem jüngeren Bruder Sam, Anführer der Schulhof-Geeks, und ihrer einstigen besten, streng religiösen Freundin Millie anfangs große Sorgen bereitet: Lindsay verbiegt sich keineswegs völlig, nur um dazuzugehören. Im übergroßen Army-Jacket begibt sie sich vielmehr auf die Suche nach sich selbst – ohne dabei auf anderen herumzutrampeln. Lindsay tut, was Jugendlich so tun: Sie kifft und schmeißt eine Party, während ihre Eltern verreist sind, sie rebelliert gegen die konservativen Leitlinien ihres Vaters, der einen Sportartikelladen betreibt und sich als Familienoberhaupt versteht, begreift im Austausch mit ihren neuen FreundInnen aber auch, wie privilegiert sie selbst im behüteten Mittelschichtsheim aufgewachsen ist.

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Dass "Freaks and Geeks" schon nach einer Staffel abgesetzt wurde, ist unglücklichen Umständen geschuldet – bei den Senderverantwortlichen stieß das Erfolgsduo Paul Feig und Judd Apatow ("Bridesmaids") unter anderem auf wenig Verständnis für sein Konzept ohne glatte HeldInnen. Und das, obwohl sie allein mit der Besetzung den richtigen Riecher bewiesen: Einige der HauptdarstellerInnen zählen heute zu den Großen in Hollywood: etwa Seth Rogen, James Franco und Jason Segel – und auch Linda Cardellini glänzte zuletzt als Meg Rayburn im Netflix-Hit "Bloodline". Bei einer eingeschworenen Fangemeinde hat "Freaks and Geeks" dennoch Kultstatus erreicht. Nicht zuletzt wegen Lindsay Weir, in der sich so manches schüchterne Mädchen wiederentdeckt, das dagegen rebelliert, immer nur wohlerzogene Einserschülerin zu sein. (Brigitte Theißl, 28.11.2017)