Es gibt Orte, die faszinieren uns auf unerklärliche Weise. Kirchen, Museen, aber auch Hotelbars sind solche Orte. Betritt man gewisse Bars in Hotels, fühlt man sich wie in einer anderen Welt, in einem geschützten Raum, der so unwirklich wie heimelig anmutet. Schummriges Licht, Pianomusik und ein Barkeeper im Smoking, der locker in einem Hollywoodstreifen mitspielen könnte, verleihen der Hotelbar ihren besonderen Charme.

Sie kann als Zufluchtsort für gestresste Dienstreisende, als intime Rückzugsmöglichkeit für Affären oder als Begegnungszone für einsame Singleurlauber dienen. Wer nicht allein in seinem Zimmer sein mag, setzt sich an die Hotelbar. Das kennt man aus Filmen wie dem Klassiker "Lost in Translation", in dem Bob (Bill Murray) als abgehalfterter Schauspieler einsam an einer Hotelbar in Tokio sitzt und Charlotte (Scarlett Johansson) kennenlernt.

Doch die Zeiten, als diese Bars nur Hotelgästen vorbehalten waren, scheinen langsam der Vergangenheit anzugehören. Auch die Zahl der Barkeeper, die nur Klassiker wie Martini oder Whiskey Sour zubereiten, unmotiviert mit einem nassen Tuch über die Theke wischen und eine Schüssel mit Erdnüssen hinstellen, wird zunehmend geringer. Internationale Hotelketten sowie kleinere, familiengeführte Hotels sehen die Bar immer mehr als Visitenkarte ihres Hauses und öffnen diese auch für externe Gäste.

Erfreulich hohes Niveau

Längst ist es nichts Ungewöhnliches mehr, abends einen Drink in einer Hotelbar um die Ecke zu nehmen. Im Gegenteil: Das Niveau mancher Hotelbars ist erfreulich hoch. Im Wiener Hotel Park Hyatt beispielsweise wurde vergangenes Jahr die Bar komplett umgebaut und mit neuem Konzept wiedereröffnet. Statt eines großen Restaurants mit kleiner Theke ist die Bar nun das Herzstück des Gastrobereichs.

Die neuen Hotelbars überzeugen mit modernem Design und ausgefallenem Angebot: The Bank im Hotel Park Hyatt.
Foto: The Bank Brasserie & Bar

"Da der Trend weg vom Fine Dining geht, haben wir uns für ein neues Konzept entschieden. Eine 'normale' Bar ist weitaus zugänglicher als ein steifes Konzept und spricht eine größere Zielgruppe an", sagt General Manager John Patrick Rogado.

Barchef Stefan Bauer kreiert gern neue Rezepturen und traut sich auf Gästewunsch auch, ungewöhnlichere Drinks zu mixen. "Ein Gast wollte mich einmal herausfordern und hat mir Vermouth und Fleisch als Vorgabe gegeben. Ich habe einen Drink mit Speck, Vermouth, Verjus und Rosmarinsirup gemixt", erzählt Bauer. Sein aktueller Lieblingsdrink sei der "Bank Director", ein Cocktail mit rotem Vermouth, Ingwerlikör, Jägermeister, Blutorangensaft und Champagner.

Auch im Wiener Hotel Le Méridien wurde im letzten Jahr umgebaut und die Bar in das Restaurant integriert. Andere Hotels in der Hauptstadt haben hingegen von Anfang an ein Barkonzept geplant, das Hotelgäste und Externe gleichermaßen anspricht.

Das You im Hotel Le Méridien ...
Foto: Le Méridien Vienna

Als das 25hours Hotel in Neubau eröffnete, war das Hotel für die meisten Gäste sogar nebensächlich. Vielmehr ging es darum, sich abends im "Dachboden" zu treffen und bei einem Drink den Blick über die Stadt zu genießen.

Auch das Sofitel im zweiten Bezirk lockt mit atemberaubendem Ausblick und überraschend ausgefallener Barkarte. Was hierzulande länger gedauert hat, ist in anderen Großstädten seit vielen Jahren die Regel. Hotelbars bieten Kurzurlaub für gestresste Städter. In Berlin hat man jetzt sogar eine Lange Nacht der Hotelbars veranstaltet, bei der Gäste von Bar zu Bar fahren konnten.

... das Loft im Sofitel,
Foto: Sofitel Vienna

Stadt und Land

Aber nicht nur im urbanen Raum kommen Hotelbars an. In St. Johann in Tirol übernahmen Sigrid und Maximilian Blumschein letztes Jahr das Hotel und Wirtshaus Post. Relativ schnell war für das Unternehmerpaar klar, dass sie auch eine Bar in ihrem Hotel haben wollen. Im Sommer dieses Jahres wurde die "Post Bar" fertig, und überraschenderweise sind es vor allem Einheimische und hotelfremde Gäste, die Gefallen daran finden.

die Post-Bar in St. Johann in Tirol,
Foto: Hotel & Wirtshaus Post

"Rund 70 Prozent unserer Gäste kommen aus der Gegend. Das freut uns ganz besonders", sagt Sigrid Blumschein. Bei der Suche nach dem richtigen Barkeeper habe man laut der Hotelbetreiberin einen Glückstreffer gelandet. "Für mich muss ein guter Barkeeper wie der berühmte Barchef Charles Schumann aus München sein. Unser Barchef steht Schumann in fast nichts nach. Er ist ein Vollprofi und hat viele Jahre in Kitzbühel gearbeitet. Die Kunst eines Barkeepers ist es, mit allen Gästen gut umgehen zu können."

Auch in den Wiener Hotels haben Einheimische mittlerweile weniger Berührungsängste mit Hotelbars. War es früher nur ein kleiner Teil von Menschen, die die traditionsreichen Bars in Hotels wie dem Triest, Imperial oder Sacher aufsuchten, spricht die Hotelbar von heute eine breite Masse an.

"Das Barkonzept wurde seit unserer Eröffnung nicht nur von unseren Hotelgästen, sondern auch am Wiener Markt sehr gut angenommen. Mit Stolz können wir sagen, dass der größte Teil unserer Gäste lokal ist", sagt John Patrick Rogado. Dass derzeit gerade neue Hotels in Wien geplant werden, dürfte also nicht nur Touristen interessieren. (Alex Stranig, RONDO, 12.12.2017)