Wien – Den Wiener Christgewerkschaftern gefällt gar nicht, was aus den Koalitionsverhandlungen in Sachen Sozialversicherung kolportiert wird. In einer Aussendung wird vor einer "Zerschlagung der Sozialpartnerschaft" gewarnt, die nur heimischen Großbetrieben und internationalen Konzern-Multis helfe.

Antrieb für die harsche Kritik der Wiener FCG ist, dass die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zumindest zurückgedrängt werden könnte. Damit würden nicht mehr die Versicherten über ihre Versicherung entscheiden, sondern "die vom Staat entsandten Parteifunktionäre und die Wirtschaftsbosse", erklärt FCG-Vorsitzender Thomas Rasch in einer Aussendung. Fraktionschef Fritz Pöltl meinte, dass mit der Abschaffung der Selbstverwaltung die Arbeitnehmer "rechtlos gemacht" würden.

Leitl warnt vor Zerschlagung des Kammersystems

Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl warnt vor einer Zerstörung des Kammersystems bei den Regierungsverhandlungen. "Reformieren ja, ruinieren nein", so Leitl bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. "Wir sind beim Reformieren nicht perfekt, wir haben dabei aber etwas weitergebracht wie keine andere öffentliche Institution."

Die Wirtschaftskammer definiere sich über die von ihr an ihre Mitglieder erbrachten Leistungen, betonte Leitl. Daran orientierten sich auch die Beiträge. Bei Änderungen müsse man sich fragen: "Wer erfüllt dann diese Leistungen, wenn sie unverzichtbar sind? Wer erbringt sie, wenn sie die Wirtschaftskammer in dieser Leistungsstärke nicht erbringen kann?"

Als Beispiele führten Leitl und Landeskammer-Präsidenten die Kammern-Leistungen im Bereich der Bildung an. Diese reichten vom – von der Kammer im Alleingang realisierten – Talente-Check für die Schüler der AHS-Unterstufe bzw. Neuen Mittelschule über die Initiativen im Bereich der Lehre über Tourismusschulen und die Kurse des WIFI bis zu von den Kammern finanzierten Fachhochschulen und Privatunis.

Fusion der Gebietskrankenkassen

In der Fachgruppe, die dieses Thema verhandelt, herrscht jedenfalls Einvernehmen über die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen (DER STANDARD berichtete). Allerdings sollen dabei auch regionale Ausprägungen berücksichtigt werden. Die Sozialversicherungsanstalten der gewerblichen Wirtschaft und der Bauern sollen zu einer Kasse für die Selbstständigen zusammengelegt, jene der Beamten erhalten bleiben. Auch die Pensionsversicherungsanstalt, wo Arbeiter und Angestellte schon vor einigen Jahren fusioniert wurden, soll unverändert bleiben.

Im Gespräch ist eine Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA). In diesem Fall soll auch eine Senkung des von den Arbeitgebern zu entrichtenden Unfallversicherungsbeitrages von derzeit 1,3 auf 0,8 Prozent kommen. Diese Punkte sind den der APA vorliegenden Informationen aus Regierungskreisen allerdings auch in der Fachgruppe noch nicht endgültig geklärt. Darüber dürfte in der Steuerungsgruppe mit den Parteichefs noch zu reden sein.

Finanzierung aus neun Länder-Töpfen

In Sachen Finanzierung ist zwar keine Finanzierung aus einer Hand, aber doch eine Finanzierung des Gesundheitswesen über neun Landes-Töpfe planen die schwarz-blauen Regierungsverhandler geplant. Wie die APA aus Regierungskreisen erfahren hat, haben sich die Verhandler in der Fachgruppe Gesundheit darauf verständigt.

Derzeit werden die niedergelassenen Ärzte über die Sozialversicherung finanziert, die Spitäler großteils von den Ländern. Demnach soll in den Zielsteuerungskommissionen auf Länderebene nicht nur die Strukturen geplant werden, sondern Länder und Sozialversicherungen sollen künftig auch ihre Finanzmittel hier einbringen und über deren Verwendung gemeinsam entscheiden. Vorgaben der Bundes-Zielsteuerungskommission sollen dabei zu berücksichtigen sein. Damit soll eine effizientere Verwendung der Finanzmittel erreicht und das Hin- und Herschieben zwischen den einzelnen Bereichen zumindest auf Landesebene hintangehalten werden. (red, APA, 29.11.2017)