Heute liegen die Überreste von Cäsars Lager auf der Isle of Thanet in der Grafschaft Kent etwa einen Kilometer vom Meer entfernt. Vor rund 2.000 Jahren befand sich die Befestigungsanlage bedeutend näher an der Küste.
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Leicester/Wien – Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung war Britannien für die Römer noch weitgehend unbekanntes Land. Händler hatten die Insel zwar schon häufiger besucht, doch von ihnen erfuhr Julius Cäsar kaum etwas über die Bewohner der Gegenden jenseits des Kanals. Der römische Kriegsherr hatte während seines Feldzugs in Gallien ab 57 vor unserer Zeit zunächst auch keine Ambitionen, mit Truppen überzusetzen. Dafür war er zu sehr damit beschäftigt, die "befriedeten" Kelten von Aufständen abzuhalten. Dann aber musste Cäsar erfahren, dass die Gallier enge Verbindungen zu den britischen Stämmen unterhielten und von diesen auch militärisch unterstützt wurden.

Damit änderte sich die Situation für den Feldherrn und er entschloss sich im Jahr 55 zu einer Erkundungsfahrt an die Südküste Britanniens. Über hundert Schiffe setzten über, wurden aber von einem großen keltischen Stammesaufgebot weitgehend daran gehindert anzulanden. Nachdem ein Sturm die römischen Schiffe schwer beschädigt hatte, wurde die Aktion schließlich abgebrochen und die erfolglosen Besatzer segelten zurück nach Gallien.

Die zweite Invasion von Julius Cäsar in Britannien dauerte nur wenige Wochen. Dabei zogen seine Truppen mehrmals ins Landesinnere.
Illustr.: University of Leicester

Tiefer Graben und spitze Waffen

Cäsars zweiter Invasionsversuch erfolgte im Juli 54 vor unserer Zeitrechnung. Nach seinen Schriften waren es fünf Legionen, die auf 800 Schiffen den Ärmelkanal überquerten und an einer Stelle landeten, die dem Feldherrn schon im Jahr davor als die geeignetste erschienen war. Wo diese genau lag, war bisher unbekannt. Spuren dieses frühen römischen Engagements auf den britischen Inseln waren jedenfalls nie gefunden worden – zumindest bis jetzt: Archäologen um Colin Haselgrove von der University of Leicester haben nun an der Südostspitze der Grafschaft Kent Überreste entdeckt, die auf ein römisches Lager aus der Zeit von Cäsars zweitem Britannienfeldzug hindeuten.

Der nun entdeckte Verteidigungsgraben von fünf Metern Breite und zwei Metern Tiefe glich jenen, die die Römer um ihre Lager in Gallien anlegten.
Foto: APA/AFP/UNIVERSITY OF LEICESTER / Andrew FITZPATRICK

In der Pegwell Bay auf der Isle of Thanet rund einen Kilometer von der heutigen Küste entfernt legten die Wissenschafter einen großen Verteidigungsgraben von etwa fünf Meter Breite und zwei Meter Tiefe frei. Die Anlage gleiche in vieler Hinsicht jenen Gräben, die die Römer in Gallien um ihre Befestigungsanlagen errichtet haben, meint der Archäologe Andrew Fitzpatrick. Zur Zeit Cäsars dürfte das Lager jedoch wesentlich näher am Meeresufer gelegen sein, wo die Schiffe an Land gezogen worden waren.

Neben diesem eindeutig militärischen Bauwerk fanden die Wissenschafter auch Reste einer Siedlung sowie Tonscherben, die dem Stil von Gefäßen des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeit entsprechen. Außerdem stießen die Forscher auf Waffenteile, darunter die Spitze eines römischen Pilums, ein Wurfspieß, der von den Soldaten Roms als Fernwaffe eingesetzt wurde. Vor allem dieser Fund ist es, den die Archäologen als klaren Hinweis auf militärische Aktivitäten der Römer an der Südostküste Englands werten.

Die Archäologen fanden bei den Ausgrabungen unter anderem diese römische Speerspitze.
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Kurze Präsenz in Britannnien

All das und die Tatsache, dass die Landschaft der Pegwell Bay in vielen Details den Beschreibungen Cäsars über seine Landung in Britannien gleicht, lassen für Fitzpatrick nur den Schluss zu, dass hier tatsächlich das erste römische Lager auf britischem Boden lag. Lange blieben die Römer allerdings auch bei Cäsars zweitem Feldzug nicht auf der Insel: Der nahende Winter und drohende Aufstände in Gallien trieben die Streitmacht wieder aufs Festland zurück. Erst hundert Jahre später sollte Rom unter Kaiser Claudius endgültig in Britannien Fuß fassen und dort für beinahe 400 Jahre als Besatzungsmacht herrschen. (Thomas Bergmayr, 29.11.2017)