Nicola Werdenigg hatte im STANDARD von weitverbreiteter sexualisierter Gewalt im österreichischen Skisport der 70er-Jahre berichtet. Nun sagt sie bei der Staatsanwaltschaft aus.

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Zweifel hegt Werdenigg an Waltraud Klasnic und ihrer Aufklärungsarbeit als Opferschutzanwältin im Auftrag des ÖSV.

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Wien – Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg übte am Donnerstag im Ö1-"Journal um Acht" scharfe Kritik an der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau und Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic, die vom Österreichischen Skiverband (ÖSV) um Mithilfe bei der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe gebeten wurde. Damit sei "keine unabhängige Untersuchung möglich", der ÖSV kontrolliere sich damit als betroffener Verband selbst.

"Es ist undenkbar, dass eine betroffene Organisation eine interne Aufklärungsstelle veranlasst und nicht von externer Seite prüfen lässt", kritisiert Werdenigg. "Mit der Beauftragung von Klasnic würden Fälle von sexueller Gewalt nicht ausreichend aufgeklärt werden. Ich will keine Vertuschung unterstellen, aber es könnte Fälle geben, die nicht ans Tageslicht kommen, oder Personen, die nicht belangt werden, weil das System sich nicht anpatzen will." Werdenigg wünscht sich eine übergeordnete Stelle, die sich um Aufklärung kümmert.

Klasnic reagierte verärgert auf Werdeniggs Aussagen und sieht einen Angriff auf ihre Unabhängigkeit. Sie lasse sich vom ÖSV beim Opferschutz sicher nicht beeinflussen: "Ich finde es eine Zumutung, wenn jemand meint, Waltraud Klasnic lasse sich von irgendjemandem in ihrer Vertrauenswürdigkeit etwas wegnehmen. Ich bin 72 Jahre alt, und diesen Einfluss auf mich gibt es nicht. Ich bin niemandem etwas schuldig."

Die von Klasnic eingerichtete Hotline zu Missbrauchsfällen im ÖSV wurde bereits genutzt. Man habe vier Meldungen erhalten, sagte ein Sprecher der einstigen steirischen Landeshauptfrau am Donnerstag, der letzte Fall soll erst drei Jahre zurückliegen. Ob es finanzielle Entschädigungen seitens des ÖSV geben werde, ist noch nicht klar.

Keine Distanz mehr

Am Mittwoch hatte Werdenigg bereits bekanntgegeben, dass sie nach ihren Missbrauchsvorwürfen Anfang Dezember am Landeskriminalamt Tirol aussagen wird. "Wer, was, wann, wie und wo, beantworte ich am 5. Dezember der Staatsanwaltschaft", schrieb die frühere Skirennläuferin auf Twitter.

Werdenigg (geborene Spieß) hatte vor eineinhalb Wochen im STANDARD schwere Vorwürfe gegen einen ehemaligen Mannschaftskollegen und den Österreichischen Skiverband erhoben. Die Vierte der Olympiaabfahrt von 1976 erzählte von weitverbreiteter sexualisierter Gewalt im österreichischen Skisport der 70er-Jahre. Als Täter erwähnte sie "Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute". Sie selbst sei als 16-Jährige von einem Teamkollegen vergewaltigt worden.

Auf Facebook schrieb Werdenigg am Mittwoch: "Ich vertraue auf die österreichische Rechtsstaatlichkeit als eine der wichtigsten Forderungen an ein politisches Gemeinwesen."

In diesem Sinn werde sie alle Fragen mit höchster Sorgfalt beantworten. "Alle weiteren Nachfragen nach Namensnennung und Zusammenhängen sind somit obsolet!"

Auf Twitter ergänzte die ehemalige Rennläuferin: "Und wer bis jetzt meine Distanz goutiert hat. Jetzt ist Schluß. Ich habe einen ordentlichen Grant: Der Heimleiter und Erzieher aus der damaligen Zeit durfte unter dem Deckmantel von Stillschweige-Allianzen von Kirche, Sport- und Parteipolitik weiterhin Kinder missbrauchen?"

Der scheidende Sport- und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hätte sich nach Werdeniggs Outing etwas mehr Sensibilität vom ÖSV gewünscht, sagte er am Mittwoch in der "ZiB 2".

Verteidigungs- und Sportminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) im "ZiB 2"-Interview über die Eurofighter, ab Minute 5:50 spricht er über die Missbrauchsfälle.
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"Was wichtig ist, wenn jemand sich outet, wenn jemand diesen Schritt wagt, der eine persönliche Belastung ist, wenn man betroffen ist, hier an die Öffentlichkeit zu gehen, dann erwarte ich mir schon auch eine gewisse Sensibilität im Umgang mit dem Betroffenen. Ich glaube, es ist nicht angebracht, hier Ultimaten zu setzen, sondern wirklich sensibel mit allen Betroffenen an der Aufklärung mitzuarbeiten", erklärte Doskozil, nachdem ÖSV-Präsident Schröcksnadel Werdenigg indirekt mit einer Klage gedroht haben soll.

Werdenigg steht mit ihrer Ansicht aber beileibe nicht alleine da. Am Donnerstag präsentierten die Neos an Doskozil eine Anfrage betreffend Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Sport. Genau genommen handelt es sich um 18 Fragen zum Thema. Darüber hinaus wird eine übergeordnete, unabhängige Stelle gefordert, die Vorgänge untersuchen soll, "nicht Waltraud Klasnic". Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz, für die auch Werdenigg für den Nationalrat kandidierte, kann sich sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorstellen. "Es sieht so aus, als würde das eine richtig große Kiste werden", sagte Zinggl. (vet, APA, lü, 30.11.2017)