"Heute" muss dem Opfer einer Vergewaltigung 6.000 Euro Entschädigung zahlen.

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Wien – Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat am Donnerstag die Entschädigung für das Opfer einer Vergewaltigung angehoben, nachdem die Tageszeitung "Heute" in ihrer Online-Ausgabe identifizierend über die Frau berichtet hatte. Die Betroffene bekam nach dem Mediengesetz 6.000 Euro zugesprochen. Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hatte ihr in erster Instanz 5.000 Euro zugestanden.

Das war Rechtsanwältin Maria Windhager, die die Frau medienrechtlich vertritt, zu wenig. Sie legte gegen die erstgerichtliche Entscheidung Berufung ein, da es sich "um einen besonders schwerwiegenden Eingriff handelt", wie Windhager nun ausführte.

"Unerträgliche" Vorgangsweise

Die junge Frau war in der Nacht auf den 1. Jänner 2016 von mehreren Männern in der Wiener Innenstadt aufgelesen und in eine Wohnung in der Leopoldstadt verschleppt worden, wo sie von acht Tätern vergewaltigt wurde. Diese wurden Anfang März 2017 nicht rechtskräftig zu Haftstrafen zwischen neun und 13 Jahren verurteilt. "Heute" hatte unmittelbar vor dem Prozess über den Fall berichtet und dabei die Identität der Betroffenen insofern preisgegeben, als ihr Vorname, ihr abgekürzter Familienname, ihr Herkunftsland und der äußerst seltene Vorname ihrer Freundin, die sie in Wien besucht hatte, veröffentlicht wurden.

Richter Natalia Frohner – die Vorsitzende des damit befassten OLG-Senats – nannte diese Vorgangsweise "unerträglich" und "für die Betroffene sehr, sehr schädlich". Es sei evident, dass die Frau für Personen erkennbar gemacht wurde, die bis dahin nichts von ihrem Schicksal gewusst hatten.

Entschädigung angehoben

Obwohl der identifizierende Bericht nur ein paar Stunden online war – auf zweimalige nachdrückliche Intervention Windhagers hin war er entschärft worden –, sei es "gerade bei einer derart abscheulichen Sexualstraftat besonders wichtig, dass der Opferschutz nicht konterkariert wird", stellte Frohner fest. Es sei schlicht unzulässig, die Betroffene "an die Öffentlichkeit zu zerren". Um das zu unterstreichen, bedürfe es einer Anhebung der Entschädigung.

Windhager verwies darauf, dass bei Online-Medien die Erstzugriffszahlen entscheidend seien. In den ersten Stunden nach Veröffentlichung eines Online-Artikels erfahre dieser die größte Resonanz und verbreite sich dann auch über andere Kanäle, gab die Medienrechtsexpertin zu bedenken. "Das Opfer war auf den Prozess sehr gut vorbereitet", sagte Windhager. Sie habe darauf vertraut, dass ihr im Medienrecht verankerter Identitätsschutz respektiert wird: "Die Erfahrung, dass das nicht eingehalten wird, war sehr schockierend."

Veröffentlichungsverbot gefordert

Die an sich nichtöffentlichen Protokolle mit der kontradiktorischen Einvernahme der Frau waren Medien zugespielt worden. "Heute" und die "Kronen Zeitung" verbreiteten die Angaben der Betroffenen, was bei dieser zu einer Retraumatisierung führte. Eva Plaz, die juristische Prozessbegleiterin der Frau, wiederholte am Donnerstag ihre Forderung an den Gesetzgeber. "Die Politik bleibt gefordert, in Sexualstrafverfahren die Protokolle aus dem Ermittlungsverfahren besser zu schützen", erklärte Plaz. Sie regte im Hinblick darauf Veröffentlichungsverbote an.

Die "Krone" war in diesem Fall für ihre identifizierende Berichterstattung in erster Instanz Anfang Mai zu einer Entschädigung von 8.000 Euro verurteilt worden. Auch dagegen legte Windhager Berufung ein. Über dieses Rechtsmittel hat das OLG noch nicht entschieden. (APA, 30.11.2017)