Warnt vor der Rückkehr zu einer Umweltpolitik vor Hainburg 1984: Franz Maier.

Foto: Kerstin

Wien – Das Positive zuerst: Franz Maier, der Präsident des Umweltdachverbands (UWD), findet durchaus interessante Ansätze in jenem Infrastruktur-Konzept auf das sich die Verhandler von ÖVP und FPÖ am Donnerstag geeinigt haben. Die Verbesserung des Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beispiel, die Forcierung des Carsharing oder der ökologischen Zustellsysteme. Und dass Abgasemissionen und Energieverbrauch gesenkt werden sollen, kann Maier auch nur loben.

Erinnerungen an den Hainburg-Konflikt

Als "schwer problematisch" stuft er allerdings ein, dass die künftige Koalition eine Rahmenkompetenz für übergeordnete Infrastrukturprojekte schaffen will: "Das klingt schwer nach dem zu Recht abgeschafften 'bevorzugten Wasserbau' der 1970er-Jahre", sagt Maier im Gespräch mit dem STANDARD. Der "bevorzugte Wasserbau" war ein Instrument, mit dem Umwelt- und Naturschutzbedenken bei Kraftwerks- und Flussbegradigungsprojekten amtlicherseits beiseite gewischt werden konnten.

Den "bevorzugten Wasserbau" nennt Maier ein "Kriegsrelikt" (eingeführt wurde er 1914 zur Beschleunigung von Wasserrechtsverfahren) – nach dem Konflikt um das Wasserkraftwerks-Projekt in der Hainburger Au 1984 wurde das System 1990 abgeschafft.

Auch Greenpeace macht sich Sorgen

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht im heute präsentierten Verkehr- und Infrastrukturpaket der Koalitionsverhandler ÖVP und FPÖ einen Angriff auf den Umweltschutz in Österreich. Eine Staatszielbestimmung für Wirtschaftsstandort, mit der das Staatsziel Umweltschutz ausgehebelt werden soll, sowie das geplante Durchpeitschen von großen Infrastrukturprojekten beschneiden die Umweltrechte in Österreich, sagt Greenpeace.

Öffentliche Interessen abzuwägen

Die in Umweltverfahren vorzunehmende Interessenabwägung müsse weiterhin in der Kompetenz der Gerichte bleiben und dürfe nicht auf die politische Ebene verlagert werden, fordert UWD-Präsident Maier – nicht zuletzt, um die Unabhängigkeit der Entscheidung abzusichern. Maier: "Das bedeutet auch, dass die Entscheidung, welche Projekte im öffentlichen Interesse liegen, nicht per Verordnung oder Gesetz vorzunehmen ist, sondern in letzter Instanz einer richterlichen Interessenabwägung im jeweiligen Einzelfall vorbehalten bleiben muss."

Auch dass die künftige Koalition Großprojekte generell beschleunigen will, betrachtet Maier mit Skepsis: "Schlechte Projekte werden nicht deshalb besser, wenn man Hürden gesetzlich aus dem Weg räumt. Öffentlichkeitsbeteiligung per se darf nicht mit dem vordergründigen Argument der Verfahrensdauer in Frage gestellt werden."

Vorzüge schneller Umweltverfahren

Dabei stelle sich die Dachorganisation von 37 Umwelt- und Naturschutzorganisationen nicht prinzipiell gegen Deregulierung: "Deregulierung ist dort gut, wo verfahrensbeschleunigende Effekte erzielt werden, ohne dass Qualitäts- und Rechtsschutzstandards leiden." Dies hätte der Bund schon früher umsetzen können, wenn bei der Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfungs-Änderungsrichtlinie präzisere Auflagen an die Projektwerber verlangt worden wären: "EIn qualitativ besserer UVP-Bericht, den der Projektträger vorlegen muss, bringt weniger Unsicherheiten und damit tolle Straffungseffekte im Verfahren."

Insgesamt verweist Maier darauf, dass Österreich heute (entgegen der amtlichen Selbstdarstellung) in vielen Umweltfragen ein Nachzügler ist: "Viele Jahre lang galt Österreich als 'Umweltmusterland', das neue Vorschriften umgehend umsetzte, oft sogar ambitionierter als vorgeschrieben. Inzwischen ist es eher Nachzügler innerhalb der EU: 22 Vertragsverletzungsverfahren sind allein im Umweltbereich anhängig." Auch dem werde sich die künftige Regierung stellen müssen. (Conrad Seidl, 30.11.2017)