Für Nationalisten ist Heimat das, was für Kosmopoliten das Klima ist: etwas Schützenswertes. Warum ist das so? Und warum leugnen vor allem globalisierungskritische Nationalisten den vom Menschen verursachten Klimawandel, während in der Welt beheimatete Liberale und internationale Kapitalismuskritiker das Klima schützen wollen? Anders als die Heimat, die für viele ein Sehnsuchtsort ist, der vielfältige Erzählungen, Erinnerungen und Bilder hervorruft, wurde das Klima von der modernen Klimawissenschaft "entortet" und zur Leidenschaft eines besorgten, meist materiell abgesicherten Weltbürgertums. Dass die Menschheit ausgerechnet von einer moralisierenden Elite, die von Klimakonferenz zu Klimakonferenz jettet, gerettet werden soll, erklärt den Zuspruch, den sogenannte Klimaskeptiker vor allem aus nationalistischen Kreisen erhalten.

Warum die Idee des Klimaschutzes heute eher Menschen, die sich als Weltbürger verstehen, anspricht, ist eine unbeabsichtigte Folge der wissenschaftlichen Entortung des Klimas, die wiederum ein Ergebnis wissenschaftsspolitischer und geopolitischer Entwicklungen ist. Wie es dazu kommen konnte, möchte ich in diesem Beitrag skizzieren. Wie immer gilt: Es hätte auch anders kommen können.

Modellsimulationen produzieren abstrakte Bilder und Vorstellungen vom Klimawandel.
Foto: Public Domain

Wissenschaftspolitik: Die Geografen ziehen sich zurück ...

Mit der wissenschaftlichen Darstellung vom Klima als ein von Treibhausgasen, allen voran von CO2 bestimmten, globalen Phänomen, wurde vom Weltklimarat der Vereinten Nationen, dem Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC), nicht nur ein Problem definiert – der Klimawandel –, es wurde der Lösungsweg gleich mitgeliefert: die globale Treibhausgasreduktion, die eine bestimmte Art des politischen Handelns impliziert.

Die Entstehungsgeschichte dieser Problemdefinition ist noch wenig erforscht. Sicher ist, dass die Wissenschaften das Klima und den Klimawandel differenzierter, aber doch genauso objektiv erzählen hätten können. Aus verschiedenen Gründen tat sie das aber nicht. Das hat einerseits mit einer gewissen Zurückhaltung der Klimageografen zu tun, die sich für den vormals in ihrer Disziplin verbreiteten unwissenschaftlichen Klimadeterminismus, schämten. Dass dieser Determinismus heute eine Wiederauferstehung erfährt, ist ein ironisches Detail am Rande: So wird beispielsweise der Bürgerkrieg in Syrien oft fälschlicherweise auf den Klimawandel zurückgeführt. Andererseits erlangten Computermodellierer eine gewisse Vormachtstellung in dem 1988 von den Vereinten Nationen geschaffenen Weltklimarat.

... und die Computermodellierer simulieren die globale Zukunft

Geografen und Computermodellierer beschreiben Klima auf unterschiedliche Art und Weise. Anders als in der Geografie, die Klima immer verortet – das Klima Wiens ist beispielsweise ein kontinentales, von starken Jahreszeiten geprägtes, jenes von Lissabon ein maritimes, ausgeglicheneres – kann mit Computermodellen das Klima als ein globales Phänomen dargestellt werden. Den Computermodellierer verdanken wir bahnbrechende Erkenntnisse zu den Dynamiken des globalen Erdsystems. Wichtiger noch: Diese numerischen Modelle erlauben – versprechen – einen einmaligen, "glaskugelartigen“" Blick in die Zukunft. Dazu muss man den atmosphärischen CO2-Gehalt kennen, der in der deskriptiven Klimatologie der Geografen keine Rolle spielt.

Nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf im CO2-freien Haus der Geografie, war die Klimaforschung seit den 1990er-Jahren zwar auf einmal wieder populär, nur hatte sich der Klimabegriff dramatisch geändert: Klima wurde weniger als verortbares, ähnlich dem Heimatbegriff authentisch zu erzählendes, sondern als ortloses, abstraktes globales Phänomen verstanden. Aus der "langweiligen" Klimatologie wurde etwas viel Spannenderes: Climate (science) fiction.

Baumringe beziehungsweise der Abstand zwischen ihnen dienen Paläoklimatologen als "Klimaarchive".
Foto: Public Domain

Geopolitik: Die Sowjets verlieren

Ihre Vormachtstellung im Weltklimarat IPCC verdanken Computermodellierer auch den geopolitischen Umwälzungen der späten 1980er-Jahre. Während Computermodelle vor allem in den Siegerländern des kalten Krieges, allen voran den USA und Großbritannien, eine Blütezeit erlebten, geriet die Paläoklimatologie, die sich mit den klimatischen Veränderungen der Vergangenheit beschäftigt, ins Hintertreffen. Paläoklimatologie wurde nicht ausschließlich, aber besonders aktiv im Verliererland des Kalten Krieges, der Sowjetunion, betrieben und gelehrt. Die Niederlage der Sowjetunion war ein Sieg jener, die die Zukunft mit den Mitteln der wissenschaftlichen Prognose – hier über die Simulation eines Weltklimas – imaginär "besetzen" konnten. Die Ironie hierbei ist, dass die Erkenntnisse aus der Weltklimasimulation bald ein solches Unbehagen auslösen würden, dass wir uns statt einer besseren Zukunft, einen alten Zustand – ein stabiles Klima – herbeisehnen.

Die geopolitischen Verhältnisse und Ambitionen spiegelten sich in dem zur gleichen Zeit gegründeten Weltklimarat IPCC wider, der zum Großteil mit Forschern des nordatlantischen Raums besetzt wurde. Die Klimageografen hatten den Kampf um Forschungsgelder verloren, und die Paläoklimatologie wurde im wahrsten Sinne des Wortes nach Sibirien, wo besonders viel zum historischen Erdklima geforscht wurde, geschickt. Sie diente fortan verstärkt als Test der globalen Treibhausgastheorie, als dass sie ihre eigenen Methoden weiterentwickelte. So kam es, dass klimatische Veränderungen mehrheitlich über Computermodelle mit Blick auf eine globale Zukunft und weniger über paläoklimatologische Rekonstruktionen verstanden wurden. Selbst die am häufigsten zitierte, weil äußerst kontroverse Publikation aus dem Bereich der Paläoklimatologie, wurde im Jahr 1998 von einem gelernten Physiker und Computermodellierer, dem US-Amerikaner Michael Mann, veröffentlicht. Kontrovers war die Studie unter anderem, weil Mann von paläoklimatologischen Methoden nicht die beste Ahnung hatte.

Die Mitte entdeckt das CO2

Mit dem Ende des Kalten Krieges entstand zudem ein Vakuum, welches apokalyptische Erzählungen von einer drohenden “Klimakatastrophe” füllen konnte. Die Angst vor einer nuklearen Katastrophe wich der Angst vor der Klimakatastrophe, wie der Kulturhistoriker Andrew Ross schon 1991 in seinem Buch “Strange Weather: Culture, Science and Technology in the Age of Limits” erkannte.

Zur gleichen Zeit setzte sich in der Politik der Managementgedanke durch, der Staat wurde zusehends als ein Unternehmen verstanden, Excel-Tabellen hielten Einzug und aus Linksliberalen und Liberalkonservativen wurden Neoliberale. Auch der reale Temperaturanstieg sollte gemanagt werden können und die wissenschaftliche Problemdefinition passte dabei gut ins Konzept.

Dass der Klimawandel technisch mit Treibhausgasemissionen erklärt werden kann, ermöglichte es der neoliberalen Mitte sich politischen Grundsatzdiskussionen, die nicht zuletzt durch den Klimawandel aufgeworfen wurden, zu verweigern. Der Klimawandel, eine im Kern ethische, ökonomische und vor allem demokratiepolitische Herausforderung, wurde als administratives-buchhalterisches CO2-Problem gedeutet: Wie können Emissionen, bei gleichzeitiger Maximierung des Bruttoglobalprodukts (BGP), am effizientesten reduziert werden, um ein optimales Verhältnis zwischen BGP und Klimaschäden zu erreichen. Die einen wollten eine Steuer auf die Emission von CO2, um den Preis der Emissionen zu erhöhen und diese damit zu senken. Den anderen erschien ein Emissionshandel als die effizientere Methode. Einem gut regulierten Emissionshandel konnten dann alle etwas abgewinnen, man argumentierte mit dem wissenschaftlichen Konsens, definierte das populistische Zwei-Grad-Ziel, was angesichts der für das Wahlvolk unattraktiven Treibhausgasemissionsreduktionspolitik auch notwendig erschien, und begann eifrig zu rechnen.

Die Gastgeber der Pariser Klimakonferenz 2015 lassen sich feiern.
Foto: Public Domain

Die Angst vor der antikapitalistischen Internationalen

Getrieben waren Linksliberale wie Liberalkonservative weniger von der Angst vor dem Klimawandel, als vor der scheinbar schon im Sterben liegenden antikapitalistischen Internationalen, die sich von den Lösungsansätzen der neoliberalen Mitte vor den Kopf gestoßen fühlte – ein systemisches Problem konnte doch nicht mit systemimmanenten Ansätzen gelöst werden. Die Internationale fand in der Klimawissenschaft ein scheinbar ideologiefreies Argument für ihre Kapitalismuskritik und in Naomi Kleins Bestseller "Die Entscheidung: Kapitalismus vs Klima" ihre Streitschrift.

Zu Recht prangerte die internationale Bewegung für Klimagerechtigkeit die unterschiedlichen und ungerechten Umstände an, unter denen CO2-Moleküle produziert, konsumiert und emittiert werden: Das von einem Heizofen in Sibirien emittierte Molekül ist in der Atmosphäre zwar gleich wirksam wie jenes von einem Wiener SUV, moralisch aber unterschiedlich zu werten. Die mit der klimawissenschaftlichen Konsens unterfütterte Forderung nach Klimagerechtigkeit hatte allerdings einen unglücklichen Nebeneffekt: Sie verstärkt die Fixierung der Politik auf CO2-Emissionen und unterstützt die schwierige und gesellschaftsspaltende Unterscheidung zwischen ”Klimasündern“ und ”Klimageschädigten“.

Klimaschutz als trojanisches Pferd

Von den USA ausgehend, erkannten nationalistische Globalisierungskritiker im Klimaschutz bald ein trojanisches Pferd. Während internationalen Globalisierungskritiker von Treibhausgasen als Klimakiller sprachen, leugneten die Nationalisten entweder die wissenschaftlichen Erkenntnisse oder sie huldigten CO2 als "Quell des Lebens". Alle sprachen jetzt von CO2.

Von deren politischen Stellvertreterstreit – Demokraten gegen Republikaner, denn Klimaskepsis ist ursprünglich ein US-Amerikanisches Phänomen – abgelenkt und von der vermittelten Dringlichkeit des Problems – "es ist fünf vor zwölf" – unter Druck gesetzt, vergaß auch die selbstbewusste akademische Linke sich über die moralischen Implikationen der Gleichung "Klimawandel = CO2" Gedanken zu machen. Ein mit fossilen Kraftstoffen betriebener SUV ist unmoralisch, ein E-SUV okay? Einfacher war es in der Ölindustrie für die finanzielle Unterstützung der Skeptiker einen Schuldigen zu finden.

Über anglophone Medien und Großbritannien kam die Klimaskepsis nach Europa, wo sie aber aufgrund der auf Konsens und Koalition bauenden politischen Systeme nicht so kontrovers geführt wird.

Nicht nur "Quell des Lebens"
Foto: APA/dpa/Jan Woitas

Goodbye Skepsis, hello green jobs!

Die europäischen Nationalisten hatten in diesem "moralischen Sturm", wie der Philosoph Stephen M. Gardiner den Klimawandel nennt, schon immer ein Orientierungsproblem. Sie kritisieren zwar oft genug den internationalen Kapitalismus – mit antisemitischen Untertönen –, von Klimaaktivisten, die sich im Gegensatz zu Nationalisten als Weltbürger verstehen, trennt sie doch mehr, als sie mit ihnen verbindet. Und solange sie nicht in der Regierung sind, fühlen sie sich der Kritik an den Regierenden verpflichtet.

Auch den österreichischen Nationalisten blieb nur die Klimaskepsis, deren Geschichte den gleichen Ausgangspunkt nimmt: die wissenschaftliche Darstellung vom Klimawandel als globales CO2-Problem. Weil die politischen Forderungen nach CO2-Steuern, einem Emissionshandel und die moralisierenden Appelle zur Verhaltensänderung immer schon mit dem wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel begründet wurden, mussten die selbsternannten Klimaskeptiker die Erkenntnisse der Klimaforschung anzweifeln. Warum Politiker wie Susanne Winter oder Heinz-Christian Strache den Klimawandel in Frage stellen, ist eine Trotzreaktion, die mehr mit dem politischem Kalkül einer Oppositionspartei als mit Hüten aus Alufolie zu tun hat.

Für die Regierungskoalition mit der ÖVP wird diese Skepsis umgedeutet werden. Es heißt nun offiziell, die FPÖ sei wegen der Atompolitik mancher Staaten kritisch gewesen. Werbefachleute würden das eine gelungene Kommunikation nennen, schließlich zeichnet die Anti-Atom-Haltung Österreicher über Parteigrenzen hinweg aus. Ebenso werden die Nationalisten von nun an die Schlagworte der neoliberalen Mitte bemühen: Green Jobs, Green Bonds und ein Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel.

Susanne Winter, ehemals bei der FPÖ, bezeichnete den Klimawandel als "Lügengebäude".
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Es hätte auch anders kommen können

1988 wurde der Weltklimarat IPCC von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Damals war dieser Klimarat alles andere als repräsentativ. Der IPCC war mit Wissenschafter aus nur wenigen Ländern aus dem nordatlantischen und anglophonen Raum besetzt. Es war auch im epistemologischen Sinn kein Weltklimarat. Wäre der IPCC nach repräsentativen Grundsätzen zusammengesetzt worden, und hätten sich Klimageografen selbstbewusster gezeigt und gegen Computermodellierer um Forschungsgelder durchgesetzt, dann würden wir heute über den Klimawandel etwas anders denken. Er wäre wissenschaftlich natürlich immer noch mit CO2 in Verbindung zu bringen. Wahrscheinlich aber wären unsere Vorstellungen und Bilder nicht nur vom zukünftigem CO2-Gehalt der globalen Atmosphäre und der imaginierten Klimakatastrophe dominiert. Vielleicht stünde die regionale Betrachtung und damit die Anpassung an den Klimawandel im Vordergrund.

Zur Erinnerung: Die Paläoklimatologie und die historische Klimageografie rekonstruieren und erzählen die Klimageschichte von bestimmten Orten. CO2 spielt hier praktisch keine Rolle. Es kann auch keine Bilder eines vergangenen Weltklimas, etwa aus dem 18. Jahrhundert, geben. Mit historischen Klimadarstellungen, die immer verortet sind, mit einem Klima, das nur kulturell erlebt werden kann – was die Schwierigkeit sich ein Weltklima vorzustellen unterstreicht –, hätten sich andere Bilder und Metaphern entwickelt und damit auch eine differenziertere Klima-Symbolik. Das Erhalten des über Erzählungen tradierten, situierten Klimaerbes würde nicht nur Konservative eher ansprechen, als die Erzählung der globalen Klimakatastrophe – bei der immer eine gewisse Panik und eine Verzweiflung mitschwingen –, die Menschen anfälliger für Versprechungen einer entweder gänzlich unrealistischen oder autoritären Lösung machen.

Im Übrigen kann die alarmistische Erzählung der Klimakatastrophe dem zeitlich und räumlich komplexen Phänomen Klimawandel nie gerecht werden. Es soll uns deshalb nicht verwundern, dass globalisierungskritische Klimaskeptiker den Klimawandel gerne mit Wetterphänomenen, wie besonders kalten Wintern, als widerlegt betrachten. Sie nutzen dabei aus, dass Klima für den Menschen immer lokal über das Wetter erfahren wird. Klima ist Wetter in unserer Erinnerung, es wird immer kulturell erlebt.

Pieter Bruegels "Die Jäger im Schnee" wird gerne als Darstellung historischen Klimas verwendet.
Foto: Public Domain

Von CO2 emanzipieren 

Seit in Computermodellen Klima mit Treibhausgasen, allen voran CO2, verschmolzen wurde, verfolgen wir besorgt den Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration. Dass die internationale Klimapolitik diesen Anstieg seit mehr als 20 Jahren vergebens bekämpft, erhöht den Druck auf die internationale Klimapolitik. Auch wenn sie selbst nicht mehr daran glauben, rein rechnerisch ist das erklärte Zwei-Grad-Ziel noch möglich. Und ihre politischen Gegner? Vor allem die Nationalisten konnten das Weltklima schwer als Platzhalter für ihre Ideologie einsetzen, weshalb sie Aspekte des Klimawandels leugneten. An die Macht gekommen, schließen sich die einstigen Rebellen nun dem Mantra jener an, die sie in der Opposition noch kritisierten. Wichtiger noch: Sie sind den Klimaaktivisten einen entscheidenden Schritt voraus, denn sie ahnen, dass CO2 nie ein ausschlaggebendes Wahlmotiv sein wird. Kein Mensch ist jemals wegen des globalen CO2-Gehalts auf die Straße gegangen: Der Klimawandel war schon immer ein Kristallisationspunkt für die unterschiedlichsten politischen und ideologischen Haltungen. Hier wissen Nationalisten, dass mit dem Klima nur politisches Kleingeld gewonnen werden kann, wenn es – ähnlich der Heimat – verortet wird, etwa um gegen Atomkraft zu mobilisieren. Die wissenschaftliche Darstellung von CO2, an der es keine Zweifel gibt, bewirkte aber das Gegenteil: Sie führte nicht nur zu einer Entortung und Abstrahierung von Klima, angesichts der steigenden atmosphärischen CO2-Konzentration lässt sie auch jede Verhaltensänderung als nutzlos erscheinen – mit einem einsetzenden Fatalismus als Konsequenz. (Mathis Hampel, 7.12.2017)

Update 23.01.2018

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