Wien – Wega-Beamte mit Sturmgewehren, ein Metalldetektor, Kontrolle durch Verfassungsschützer: Für österreichische Verhältnisse ist das Verfahren gegen acht Tschetschenen, das am Freitag vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Andreas Böhm begonnen hat, ein Hochsicherheitsprozess.

Die Männer sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet und Erpressungen begangen haben, wirft ihnen die Staatsanwältin vor. Vorwürfe, die das Oktett wie seine Verteidiger abstreiten. "Es gibt hier wenige Beweise, nur viele Mutmaßungen", formuliert es beispielsweise Anwalt Andreas Strobl. "Die Anklage wird zusammenbrechen wie ein Kartenhaus", prophezeit er.

Waffen im Schnee auf der Donauinsel

Wirklich ins Rollen gekommen ist die Sache im Februar. Damals trafen sich zwei Gruppen von rund 30 Tschetschenen auf der Donauinsel. Passanten kamen die teils bärtigen Männer verdächtig vor, die Polizei kam und kontrollierte. Im Schnee wurden einige Waffen, darunter eine Maschinenpistole, gefunden, worauf sich die Ermittler näher für die Teilnehmer des Treffens zu interessieren begangen und deren Kontakte prüften und Telefongespräche abhörten.

Nun geht es im Kern um zwei Vorwürfe: Ein Friseur soll von Jänner bis Sommer in Wien-Floridsdorf erpresst worden sein – er sollte seinen Salon entweder schließen oder Schutzgeld zahlen, vermutet die Anklägerin. Der zweite Fall betrifft einen ehemaligen Arzt. Dem Mann wurde 2013 die Zulassung entzogen, dennoch stellte er weiter Rezepte aus. Der Verdacht: Die Angeklagten und eine zweite Gruppe stritten, wer die Rezepte bekommt und die Medikamente weiterverkaufen darf.

Belastendes Video

Die Angeklagten sollen den ehemaligen Arzt mit einem Video von einer Rezeptübergabe erpresst und schließlich 50.000 Euro gefordert haben – die Auseinandersetzung zwischen den Gruppen gipfelte schließlich im Treffen auf der Donauinsel.

Hört man die persönlichen Daten der Angeklagten, zeigt sich, dass zwei Umstände sie einen: Die zwischen 27 und 40 Jahre alten Männer sind anerkannte Flüchtlinge und arbeitslos. Zwei von ihnen sind unbescholten, die anderen haben bis zu sechs Vorstrafen, teils einschlägig.

Bei einigen der Angeklagten, etwa dem Mandanten von Verteidiger Strobl, scheinen die belastenden Indizien überschaubar. Er war zwar bei dem Treffen auf der Donauinsel, aber nur als Begleiter, der überhaupt keine Ahnung hatte, um was ging, behauptet er. Vor allem müsste er der gegnerischen Gruppe angehören, deren Chef laut Aussage eines anderen angeblich ein Polizeispitzel ist.

Mögliche Verwechslung

In Telefongesprächen kommt Strobls Mandant nie vor; ein Mitarbeiter des Friseursalons hat ihn auf einem Foto identifiziert – der Besitzer selbst sagt allerdings, der Angeklagte sehe einem Erpresser ähnlich, sei es aber nicht. Der Mitarbeiter ist übrigens am 29. November auf Urlaub gefahren.

Andererseits vermutet die Staatsanwältin, dass die Zeugen eingeschüchtert seien. Und sie kann auf Protokolle von Telefongesprächen verweisen, die beispielsweise drei Angeklagte verdächtig erscheinen lassen. Dort wird nämlich über den Besuch beim Friseur gesprochen und dass dieser zusperren solle.

Danach heißt es in einem Telefonat, dass man nun zu seinem Verteidiger werde. "Ich wurde kontaktiert, dass der Friseur Probleme mit Tschetschenen hat", sagt einer der Angeklagten. "Wir sind aus Interesse hin und haben gesagt: 'Was wir machen können, werden wir machen.'" Das sei aber als Vermittlungsangebot und nicht als Erpressung gemeint gewesen.

Geheimnisvolle Konversation

In einem anderen abgehörten Telefonat geht es zum Amüsement der Sprecher um die beste Quelle für "Marmelade", die gut zu Tee schmecke und Grippe heile. Dass es sich dabei um ein Codewort handelt, wie die Staatsanwältin vermutet, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Nur: wofür, bleibt zunächst offen.

Der Prozess ist vorerst auf drei Tage anberaumt. (Michael Möseneder, 1.12.2017)